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Bericht vom DPMAnutzerforum 2021

Foto: Johannes Gronau

Künstliche Intelligenz als Erfinder, China als Antreiber der Digitalisierung und das Einheitspatent auf der Zielgeraden: Das DPMAnutzerforum diskutierte aktuelle Schutzrechtsthemen

Es war eine Premiere: das erste virtuelle DPMAnutzerforum. Im Schatten der Pandemie konnte es nicht als Präsenzveranstaltung stattfinden. Aber das hatte den Vorteil, dass statt maximal 400 Besuchern nun knapp 1000 angemeldete Gäste aus Wirtschaft, Anwaltskanzleien und Schutzrechtsdienstleistern das Nutzerforum live im Internet verfolgen konnten – zur Freude der DPMA-Präsidentin: „Wow – so viele wie nie zuvor!“ Die meisten von ihnen verfolgten das Online-Nutzerforum am 30. März übrigens aus ihrem privaten Arbeitszimmer, wie eine Live-Zuschauerumfrage ergab.

Cornelia Rudloff-Schäffer stellte in ihrem Vortrag unter dem Titel „Technologietrends, Patentqualität und Neues aus der Marke“ aktuelle Zahlen aus dem DPMA vor. 2020 gab es einen „wahren Markenboom“, so Rudloff-Schäffer: „Erstmals in der Geschichte unseres Amtes haben wir mehr als 60 000 Marken in einem Jahr in das Register eingetragen“. Einen Grund für diese „Anmeldeflut“ sieht sie in der starken Digitalisierung der Handelsaktivitäten im Internet: Um auf Online-Plattformen erfolgreich zu sein, schützen Online-Anbieter ihre Produkte und Dienstleistungen durch Marken. Besonders in den Klassen „Bekleidung“ und „Elektronik und Computer“ stiegen die Anmeldungen im vergangenen Jahr.

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Auch das Gebrauchsmuster hat 2020 erstmals seit Jahren einen kleinen Wachstumsschub verzeichnet. „Gerade in der Pandemie-Situation hat die Möglichkeit, eine Erfindung mit einem Gebrauchsmuster schnell unter Schutz zu stellen, offenbar den Bedürfnissen vieler Anmelder entsprochen. Vor allem chinesische Unternehmen haben diese Strategie im deutschen Raum stark genutzt“, so Rudloff-Schäffer.

Einen Rückgang gab es dagegen bei den Patentanmeldungen, so die DPMA-Präsidentin: „Hier macht sich bemerkbar, dass Forschungsabteilungen im Homeoffice mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, radikale technologische Strategiewechsel und finanzielle Einsparungen angezeigt sind – und das eine oder andere Unternehmen digital offenbar noch aufholen muss“.

China prescht vor - Deutschland muss aufholen

"Graphic recording" des Vortrags von DPMA-Präsidentin Rudloff-Schäffer durch Sandra Schulze

"Graphic recording" des Vortrags von DPMA-Präsidentin Rudloff-Schäffer durch Sandra Schulze

Auffällig ist, dass asiatische Staaten, insbesondere China und Südkorea, bei Schlüsseltechnologien in Europa enorm zulegen. Die beiden asiatischen Länder verzeichneten bei den 2020 veröffentlichten Patentanmeldungen mit Wirkung für Deutschland die größten Zuwächse im Vergleich zum Vorjahr in ausgewählten Technologiefeldern der Digitalisierung. Die Innovationsdynamik sei dort wesentlich größer als in Deutschland, so Rudloff-Schäffer (siehe dazu unsere Pressemitteilung). „Wir müssen im Vergleich zu den asiatischen Staaten aufholen!“

Seit 2017 beobachtet das DPMA, dass Anmeldungen rund um den herkömmlichen Verbrennungsmotor sinken und solche in den Bereichen „Batterien“ und „Elektroantrieb“ steigen, so die Präsidentin weiter. „Für uns ist das ein eindrückliches Abbild des Strategiewechsels in der Automobilindustrie weg vom traditionellen Verbrennungsmotor hin zu neuen Antriebstechnologien.“

DPMA gut aufgestellt

Das DPMA ist trotz der Pandemie und den daraus resultierenden außergewöhnlichen Herausforderungen „voll arbeitsfähig“, so die Präsidentin: „Dank unserer frühzeitigen Umstellung auf eine im Wesentlichen elektronische Bearbeitungsweise konnten wir rasch auf ein sehr breites Homeoffice-Angebot umschalten“. Drei von vier Beschäftigten im DPMA nutzten die Möglichkeit, auch oder komplett von zu Hause aus zu arbeiten.

Patentqualität im Fokus

Ein Vorteil des virtuellen Veranstaltungsformats ist, dass Interessierte vorab Fragen und Anregungen senden konnten. Diese Möglichkeit wurde rege genutzt. Viele Fragen drehten sich um das Thema Patentqualität. Die sorgfältige Qualifizierung kompetenter und erfahrener Patentprüfender sei eine der wichtigsten Säulen der Qualität im DPMA, so die Präsidentin. Man sorge auch für die Optimierung des Prüfungsprozesses: Elemente der in vielen europäischen Ämtern bereits eingeführten Qualitätsmanagement-Systeme nach ISO 9001 sollen auch im DPMA Anwendung finden, etwa durch die Evaluierung wichtiger Arbeitsergebnisse auf der Grundlage geeigneter messbarer Kenngrößen.

Am Puls der Gesetzgebung

"Graphic recording"-Assoziationen zum Gespräch mit Dr. Christian Wichard vom BMJV

"Graphic recording"-Assoziationen zum Gespräch mit Dr. Christian Wichard (BMJV)

„Die Stärkung des geistigen Eigentums durch die Gesetzgebung“ war Thema eines Gesprächs, dass Moderator Ulrich Walter mit Dr. Christian Wichard vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz führte. Walter wollte unter anderem wissen, welche Gesetzesvorhaben zurzeit diskutiert werden. Wichard erläuterte Details zum Regierungsentwurf des 2. Patentmodernisierungsgesetzes, der derzeit im Bundestag beraten wird. Die Fragen des Moderators und (per Chat gestellte) des Publikums drehten sich beispielsweise um eine darin vorgesehene Beschränkung des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs. Es gehe dabei um ein „Sicherheitsventil für Ausnahmefälle“, so Wichard. Im Hinblick auf die Zulässigkeit von Videokonferenzen (eine weitere Publikumsfrage) sehe man sich rechtlich ganz gut aufgestellt, so Wichard.

Außerdem gab es aus dem virtuellen Plenum viele Fragen zum aktuellen Stand des Europäischen Einheitspatents und der Europäischen Patentgerichtsbarkeit. Man müsse die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über zwei Eilanträge abwarten, so Wichard, dann könne die Ratifizierung eingeleitet werden, die Deutschland als einziges der 15 beteiligten Länder noch nicht vollendet hat. Aber dieser „lange dornige Weg“ werde voraussichtlich im kommenden Jahr zu Ende gehen, hoffte Wichard.

Es ist ein hochaktuelles Thema: In letzter Zeit wurde von verschiedenen Seiten wiederholt gefordert, den Patentschutz auf die neuen mRNA-Impfstoffe aufzuheben. Das würde aber nichts bringen, so Wichard. Zum einen sind ja noch gar keine Patente erteilt, zum anderen seien Ressourcen, Technik und Kapazitäten das eigentliche Problem bei der komplizierten Herstellung der neuartigen Vakzine. Die Aufhebung von Patenten wäre „kontraproduktiv“ und ein „fatales Signal“ an die Arzneimittelhersteller, denen die Anreize für Forschung und Entwicklung genommen würden.

Quo vadis, KI?

Podiumsdiskussion mit Moderator Ulrich Walter, Detlev-Georg Schmidt-Bilkenroth und Dr. Thomas Buchho

Podiumsdiskussion mit Moderator Ulrich Walter, Detlev-Georg Schmidt-Bilkenroth und Dr. Thomas Buchholz (von links). Bild: Frank Rollitz

Zum DPMA-Nutzerforum gehört stets eine Podiumsdiskussion, die diesmal allerdings teilweise eine Videokonferenz sein musste. Vier kompetente Gesprächspartner diskutierten die brandaktuelle Frage der Patentierbarkeit von Künstlicher Intelligenz.

Künstliche Intelligenz hat in den vergangenen Jahren einen enormen Schub erlebt. Die Verfügbarkeit von großen Datenmengen, hohen Rechnerkapazitäten und fortentwickelten Methoden haben zu der Entwicklung immer besserer Algorithmen und neuronaler Netzwerke geführt. Mit dem Ergebnis, dass Maschinen heute über ausgeklügelte kognitive Fähigkeiten verfügen und die Digitalisierung durch Künstliche Intelligenz entschieden vorangetrieben wird.

Ist KI also wirklich gefährlicher als Nuklearwaffen, wie Elon Musk einmal sagte? Natürlich hinke der Vergleich, so Prof. Dr. Mary-Rose McGuire, Rechtsexpertin an der Universität Osnabrück; aber KI könne in ihrer Vielfalt, Schnelligkeit und Intransparenz durchaus etwas „Beunruhigendes“ an sich haben.

Teig aus dem 3D-Drucker

"Graphic recording" der Podiumsdiskussion zu Künstlicher Intelligenz von Sandra Schulze

"Graphic recording" der Podiumsdiskussion zu Künstlicher Intelligenz von Sandra Schulze

Von einer neuen industriellen Revolution durch KI könne man durchaus sprechen, so der Patentanwalt und Informatiker Thomas L. Lederer. Im Haushalt ist künstliche Intelligenz jedenfalls längst angekommen: Kühlschränke mit Objekterkennung, Geschirrspüler mit Kameras, Saugroboter, lernende Herde, 3D-Drucker für Nahrungsmittel… was Dr. Thomas Buchholz, der bei BSH Hausgeräte GmbH die Digitalthemen innerhalb von „Corporate Technology and Innovation - Intellectual Property“ verantwortet, aufzählte, klang immer noch futuristisch, obgleich längst Realität.

Detlev-Georg Schmidt-Bilkenroth, Leiter der Prüfungs-Abteilungsgruppe Physik beim DPMA, stellte die derzeit übliche Prüfungspraxis im Bereich KI und ihre rechtlichen Grundlagen vor. Die Vorgehensweise der Prüfung von programmbezogenen Erfindungen lasse sich grundsätzlich auch auf KI-bezogene Erfindungen übertragen. So gesehen stelle KI keine grundlegend neuen Anforderungen an das Patentrecht, so Schmidt-Bilkenroth. Die meisten Patentanmeldungen kommen derzeit aus den Bereichen Bildverarbeitung, Verkehr, Diagnostik und Maschinen-Überwachung.

Neues Schutzrecht nötig?

Aufzeichnung im DPMA-Forum (Foto: Frank Rollitz)

Aufzeichnung im DPMA-Forum (Foto: Frank Rollitz)

Was aber bedeutet die Künstliche Intelligenz für den Schutz des geistigen Eigentums? Wie ist es mit Erfindungen, die die KI selbst macht? Stellt KI das ganze Patentwesen in Frage – oder ist es nur eine weitere neue Technik? Vielleicht braucht es einfach präzisere Definitionen, so Lederer. Vielleicht braucht es auch ein eigenes, neues Schutzrecht, so McGuire. Vielleicht braucht es jedoch eher neue Gerichtsurteile, so Schmidt-Bilkenroth: Um die zuletzt 2019 aktualisierten Richtlinien des DPMA gegebenenfalls zu überarbeiten, bedürfe es neuer rechtlicher Vorgaben; aus der bisherigen Entscheidungspraxis der Gerichte ließen sich derzeit keine neue Praxis ableiten.

Anstelle der gängigen Unterscheidung zwischen „schwacher“ und „starker“ KI plädierte McGuire dafür, zwischen „spezifischer“ und „universeller“ KI zu differenzieren. „Explainable AI“, also eine KI, die sich nicht mehr wie eine „black box“ verhalte, sondern transparenter in ihrer Funktionsweise sei, wäre in schutzrechtlicher Hinsicht klarer einzuschätzen. Aber auch sie würde „nie ganz harmonisch“ in das gegenwärtige Patentrecht passen, so McGuire.

„Weg von der black box“ scheint jedenfalls ein wichtiger Ansatz zu sein: Buchholz warf die Frage auf, ob beispielsweise die Trainingsdaten für im Verkehr eingesetzte KI nicht standardisierungspflichtig sein sollten, etwa aus haftungsrechtlichen Gründen.

KI im DPMA

Ulrich Walter im Gespräch mit Dr. Christian Wichard (Foto: Johannes Gronau)

Ulrich Walter im Gespräch mit Dr. Christian Wichard (Foto: Johannes Gronau)

Sollte KI selbständig eigene Erfindungen zum Patent anmelden können? Die Teilnehmenden des Nutzerforums hatten dazu eine klare Meinung: nein, wie eine Live-Umfrage ergab. Zu groß wären die rechtlichen Fragen etwa nach Haftung, Rechtspersönlichkeit, Versicherungspflicht eines künstlichen Erfinders.

Im DPMA wird KI jedenfalls bereits seit einigen Jahren eingesetzt: in der Eingangsprüfung hilft ein e-Klassifikator mit KI-Funktion bei der Vergabe der Internationalen Patentklassifikation (IPC). Dieses IT-Tool ist inzwischen so gut, dass es für etwa 95% der Anmeldungen Klassifikationsvorschläge liefert – mit einer Trefferquote von rund 80%. Mit 28 Millisekunden pro Aufruf bringt dieses System eine enorme Zeitersparnis und Arbeitserleichterung und hilft hervorragend, die rund 60.000 Anmeldungen pro Jahr auf rund 1.000 Prüferinnen und Prüfer zu verteilen.

Workshops und Seminare rundeten Programm ab

Unter dem virtuellen Applaus der online Teilnehmenden ging das Nutzerforum mit dem Schlusswort des Moderators zu Ende: „Bleiben Sie innovativ!“.

Zum Schluss gab es noch den Termin für das nächste DPMAnutzerforum: der 29. März 2022.

Abgerundet wurde das Nutzerforum 2021 durch drei Online-Seminare an den folgenden Tagen. Dabei standen das elektronische DPMAregister, der Umgang mit asiatischer Patentliteratur sowie die Umsetzung des Markenrechtsmodernisierungsgesetztes im Fokus.

Bilder: Johannes Gronau, Sandra Schulze, Frank Rollitz

Stand: 21.03.2024