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Erfinderaktivitäten: Hilfe fürs Weltall
Lässt sich Satellitenschrott einfangen?
Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie fahren mit Ihrem Auto auf einer belebten Straße durch eine Stadt und alle paar Meter rollt unerwartet eine Mülltonne über die Fahrbahn. Jeder Tonne müssen Sie sofort ausweichen, ohne dabei einen anderen Verkehrsteilnehmer zu gefährden. Unrealistisch? Im Weltall geht es in etwa so zu. Inzwischen. Denn als man 1957 mit "Sputnik 1" den ersten Satelliten in die Erdumlaufbahn schoss, war man dort oben noch mutterseelenallein. Man musste sich keine Gedanken machen über Weltraumschrott und dessen Folgen.
Über 60 Jahre später geht es im Orbit rund. "Weltraummüll" sind von Menschen geschaffene Objekte, die im Weltraum unterwegs sind und keine Funktion mehr haben: beispielsweise abgeschaltete Satelliten, Raketentrümmer oder auch verloren gegangenes Werkzeug von Astronauten. Bei einer Kollisionsgeschwindigkeit von etwa 40.000 Stundenkilometern entwickeln Bruchstücke mit bereits einem Zentimeter Durchmesser eine enorme Zerstörungskraft bei einem Aufprall auf ein anderes Objekt. Das kann einen noch funktionierenden Satelliten komplett demolieren, eine Raumstation und die darin wohnenden Astronauten in Gefahr bringen. Laut dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) kreisen derzeit gut 750.000 Objekte mit einer Größe von über einem Zentimeter Durchmesser in 800 bis 900 Kilometern Höhe um die Erde. Gar 150 Millionen Teile sollen es sein, die etwas größer als einen Millimeter sind. Mittels neuester Lasertechnik wurden inzwischen rund 20.000 Objekte katalogisiert; sie sind bereits größer als zehn Zentimeter und werden regelmäßig überwacht.
DPMA-Erfinderaktivitäten: Wie beseitigt man Müll im Weltall?
Der "Internationale Tag der bemannten Raumfahrt" am 12. April ist Anlass, dieses Thema in den Fokus zu rücken. Dieser Tag ist für das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) zudem Anlass, eine eigene Veröffentlichung zum gleichen Thema in Szene zu setzen. Unter dem Titel "Erfinderaktivitäten" gibt das Amt eine regelmäßige Schriftenreihe heraus, die den Leser, die Leserin "auf eine abwechslungsreiche Reise durch unterschiedliche Gebiete der Technik von heute und morgen" mitnimmt. Die Patentprüferinnen und Patentprüfer des DPMA prüfen eingereichte Patentanmeldungen und greifen bemerkenswerte Erfindungen heraus, die sie in der Schriftenreihe näher beleuchten. In der Ausgabe 2016/2017 widmet sich der Artikel "Beseitigung von Weltraummüll" der Frage, was man tun kann, um den Weltraum wieder leer zu räumen – jedenfalls einigermaßen.
Natürlich hat sich auch für das Weltall die Erkenntnis durchgesetzt, dass die beste Müllentsorgung die Müllvermeidung ist. So werden moderne Satelliten heute so gebaut, dass sie am Ende ihrer Dienstzeit beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre vollständig verglühen. Auch sorgen intelligente Softwareprogramme dafür, dass sich Satellitenkollisionen vermeiden lassen, indem Satellitenbetreiber rechtzeitig gewarnt werden. Satelliten können ausweichen – was Dutzende weitere kleine Bruchteile, die durch einen Zusammenstoß entstehen würden, verhindert.
Die moderne Satellitentechnik entsorgt aber nicht die Probleme, die bereits da sind. Was sich tun lässt, um den Jahrzehnte alten Schrott zu beseitigen, liest sich in der DPMA-Schrift teilweise wie in einem Zukunftsroman. Gleichwohl sind alle dort vorgestellten Verfahren und Vorrichtungen ernstzunehmende Erfindungen, die sich je nach Kostensituation durchaus umsetzen lassen. Die Formel, die die Wissenschaft für den Orbit gefunden hat, lautet vereinfacht: Friedhof oder Zerstörung durch Verdampfung oder Einfangen. Vor allem Letzteres klingt wie aus einem James-Bond-Film entlehnt, ist aber alles andere als Fiktion.
Fangschalen, Fischernetz oder Gaswolke – offenbar ist vieles möglich
Entscheidend für die Entsorgung des Weltraumschrotts ist zunächst die Größe eines Objekts. Handelt es sich noch um vollständige Satelliten, deren Position bekannt ist, kann man diese Satelliten "einfangen" und abtransportieren. Durch Beseitigungssatelliten mit elektrisch geladenen Fangschalen beispielsweise. Andere Vorrichtungen nutzen eine Harpune, die ins Zielobjekt eindringt und sich dort verkeilt. Wiederum andere Fangvorrichtungen setzen auf Greifarme oder – noch einfacher – auf simple Stahlseile, an deren Enden sich Gewichte befinden. Die Seile umwickeln einen Satelliten solange, bis man seiner habhaft ist. Selbst ganze Raumfahrzeuge können verschwinden mit einer Fixiereinrichtung, die der Natur abgeschaut ist: Dabei handelt es sich um eine Vorrichtung mit "einer Vielzahl feinster Härchen analog zu den Hafthärchen, mit denen Geckos an glatten Oberflächen haften".
Die Methode "Friedhof" setzt auf Umzug. Will heißen: Mikrosatelliten docken an einem ausgedienten Satelliten an und bringen ihn an einen neuen Platz: entweder auf eine von der Erde weiter entfernte Umlaufbahn mit kaum Verkehr oder auf eine Umlaufbahn deutlich näher zur Erde, um den Satelliten dort abzubremsen und in der Erdatmosphäre verglühen zu lassen. Oder – so eine weitere Erfindung – man bremst die Geschwindigkeit des Satelliten vor Ort ab, indem man wiederum über Mikrosatelliten aufblasbare Ballons am Satelliten befestigt. Die große Oberfläche der Ballons hätte eine entsprechende Luftreibung zur Folge, die den Satelliten abbremsen, ihn in die Erdatmosphäre verfrachten und dort verglühen ließe.
Nicht zuletzt gibt es Patentschriften, die die Zerstörung der Objekte vorsehen. Während ein Verfahren auf fokussiertes Sonnenlicht zur Verdampfung eines Schrottteils mithilfe einer entfaltbaren Optik setzt, beschreibt ein weiteres Verfahren zwar ebenfalls die Bestrahlung eines Objekts, allerdings diesmal mit einer "trümmermaterialverdampfenden Strahlung".
Vor kleinsten Objekten muss man nicht kapitulieren
Die Position von kleineren Objekten im Orbit ist so gut wie nicht bekannt. Aber auch sie müssen entsorgt werden. Im Gegensatz zum Einfangen oder Verglühenlassen von Einzelobjekten, rückt man den Kleinteilen mit großflächigen Räumungseinrichtungen zu Leibe. Beispielsweise mit einer Weltraumkehrmaschine, die aus großflächigen rotierenden Platten zusammengesetzt ist. Oder mit einer großvolumigen Einfangvorrichtung in Form eines Faserknäuels. Oder auch mit einem überdimensionalen Auffangnetz, das alle Kleinteile wie in einem Fischernetz mitnimmt.
Eine interessante Methode stellt zudem die "Verlangsamung von Hochgeschwindigkeitsteilchen" dar. Hier sorgt man für die bewusste Kollision der kleinen Objekte mit Flüssigkeitstropfen. Die Kleinteile werden dabei fragmentiert und abgebremst. Oder sie werden, ebenfalls zuvor fragmentiert, im Inneren einer Schaumstoffkugel aufgenommen, gebunden und anschließend entsorgt.
Zielten die eben beschriebenen Verfahren und Vorrichtungen auf das Andocken und Einfangen der Schrottteile selbst, gibt es auch Verfahren, die die Umgebungsbedingung von Satelliten und Bruchstücken verändern würden und dadurch deren Beseitigung ermöglichen. Ein Verteilungsraumschiff bringt dann am Einsatzort ein zweites Medium aus – beispielsweise in Form einer Gaswolke oder auch einer Staubwolke. Jeder Weltraumschrott, der diese Wolke durchquert, würde abgebremst werden und zur Erdatmosphäre fliegen, wo er verglüht.
Das Weltall ist unendlich. Natürlich sind die Möglichkeiten zur Beseitigung des Weltraumschrotts nicht unendlich. Aber dem Forschergeist sind bekanntlich keine Grenzen gesetzt. Was es noch für Vorrichtungen geben könnte, um den Orbit von Unrat zu säubern, lesen Sie im vollständigen Bericht "Beseitigung von Weltraummüll" in den Erfinderaktivitäten 2016/2017 ab Seite 34. Dort finden Sie auch die Verweise zu sämtlichen Patentschriften, die Sie über die Datenbank des DPMA, DEPATISnet, einsehen können.
Bild 1: iStock.com/Petrovich9, Bild 2: DPMA, Bild 3: iStock.com/photovideostock
Stand: 11.04.2018
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