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PATINFO 2019: Was kann Künstliche Intelligenz?

KI-Symbolbild

Tagung widmet sich den Perspektiven von KI und IP

Welche Bedeutung hat Künstliche Intelligenz (KI) für die gewerblichen Schutzrechte? Wie können Erfindungen aus dem Bereich KI durch Patente geschützt werden? Und wo werden KI-gestützte Anwendungen bereits eingesetzt? Diesen Fragen widmete sich die PATINFO 2019, die vom 5. bis 7. Juni in Ilmenau stattfand.

„IP und AI – Wunsch oder Wirklichkeit“ hieß das Motto der diesjährigen Tagung mit rund 300 Gästen. Die externer Link PATINFO ist die größte deutsche Patentinformationskonferenz und bietet ein Forum für alle, die sich etwa in Unternehmen, Hochschulen und forschenden Einrichtungen mit dem gewerblichen Rechtsschutz befassen. Das Landespatentzentrum Thüringen veranstaltet diesen jährlichen Erfahrungsaustausch zwischen Patentanwälten, Ingenieuren, Naturwissenschaftlern, Service- und Datenanbietern, Informationsvermittlern sowie Ämtern und Einrichtungen des gewerblichen Rechtsschutzes.

KI ist Schlüsseltechnologie

Sicher ist: Künstliche Intelligenz (KI, oder auch AI, Artificial Intelligence) beeinflusst die gewerblichen Schutzrechte bereits jetzt in vielfältiger Weise. Diesen Einfluss diskutierten zu Beginn der Tagung DPMA-Vizepräsidentin Christine Moosbauer und Vertreter des Europäischen Patentamts (EPA), der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) und der Patentämter in der Schweiz und Österreich.

Künstliche Intelligenz ist eine „Schlüsseltechnologie",, so Moosbauer, "die einen umfassenden Transformationsprozess bewirkt und in sehr viele Bereiche des Lebens eingreifen wird oder es bereits tut“. Auch auf die Arbeit der Patentbehörden: „Auf der einen Seite sind wir Anwender der KI, auf der anderen Seite sind wir in der täglichen Patentprüfung mit ihr befasst.“ Viele Ämter experimentierten schon für die eigenen Aufgaben mit KI, so Moosbauer, etwa bei der Zuordnung von Patentanmeldungen zu Technikgebieten oder bei der kognitiven Suche in Volltexten.

Insgesamt veröffentlichten DPMA und EPA im vergangenen Jahr mehr als 5600 Patentanmeldungen zur KI mit Wirkung für Deutschland. 36,2 Prozent davon kamen aus den Vereinigten Staaten ( pdf-Datei Übersicht zu KI-Anmeldungen). Deutschland drohe den Anschluss zu verlieren, so Moosbauer.

Das „vollautomatische Patentamt“ in Sicht?

Denkender Roboter

Wird es irgendwann ein „vollautomatisches Patentamt“ geben? Die Anwendung von KI-Technologien im Patentverfahren scheint noch in den Kinderschuhen zu stecken, stellte Heiko Wongel vom Europäischen Patentamt (Standort Wien) fest. Aber er sieht „vielversprechende Ansätze“, auf die aufgebaut werden könne: „Gerade am heutigen Punkt der Entwicklung, der noch viele Wege offenlässt, ist ein guter Dialog zwischen Nutzern und den Patentämtern nötig.“

„AI patentieren: Alles nur ein Hype?“ Von wegen, so Martin Wilming von der Hepp Wenger Ryffel AG (Schweiz) in seinem Beitrag: Die Anmeldezahlen wachsen seit Jahren rasant, aber die gesetzlichen Rahmenbedingungen (und wohl auch die Prüfungspraxis) sind veraltet, findet er. Als die gültigen Patentgesetze verabschiedet wurden, sei das Potenzial von KI noch nicht vollends absehbar gewesen, so Wilming. Er forderte Veränderungen: Künstliche Intelligenz als bloße Software oder mathematische Methode zu behandeln und somit vom Patentschutz auszuschließen, sei zu kurz gegriffen.

Der Erlanger Patentanwalt Rudolf Meyer stellte den „Fachmann“, die fiktive Person und (patent-)rechtliches Konstrukt, ins Zentrum seines Vortrags und fragte, ob dieser jemals ein Wesen von künstlicher Intelligenz sein könne.
Im Patentwesen spielt der „Fachmann“ bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit eine wichtige Rolle. Kann diese Rolle eine Maschine übernehmen? Ein klares Nein, so Meyer: Eine Simulation des Fachmanns durch eine Software sei illusorisch.

„Vollautomatische“ Klassifikation oder Auswertung: Ansätze aus der Industrie

Ein Beispiel dafür, wie Unternehmen KI in ihrer Schutzrechtspolitik einsetzen können, gab die Siemens AG: „Categorisation of structured patent documents using natural language processing” nannten Mark Buckley und Kai Plum ihren Beitrag. Sie schlugen darin einen auf neuronalen Netzen und Sprachverarbeitungsmethoden basierenden „Klassifikator“ vor, der die strukturierten Daten in einem Patentdokument ausliest und es einem bestimmten Technologiefeld zuordnet. Dieses Konzept, Text- und Metadateninhalte flexibel in einem einzigen Klassifikationsmodell zu kombinieren, werde bereits erfolgreich für die Analyse der Patentstrategie eingesetzt, so die Referenten.

Auch ein weiterer Industrie-Riese sieht großes Potenzial für die Optimierung des Patentmanagements durch KI: Für General Electric sprach Burkhard Josuhn-Kadner über “Management globaler Patentportfolien und wie AI dabei helfen könnte“. Gerade sehr große Unternehmen haben mitunter (beispielsweise nach Übernahmen und Zukäufen) nicht den allerbesten Überblick über alle Aspekte ihrer Patentportfolios. Oft müssen sie auch mit lücken- bzw. fehlerhaften Daten kämpfen. „Der Aufwand für die Korrektur und Vervollständigung von Patentdaten kann je nach Größe des Portfolios außerordentlich groß, schwierig und teuer sein, so dass fast zwangsläufig der Wunsch nach AI-Unterstützung entsteht“, so Josuhn-Kadner. Automatisierte Auswertungen oder der Einsatz von KI können Analysen zu Kosten oder Kapazität nicht nur vereinfachen, sondern auch durch neue Möglichkeiten ergänzen. Liegen, so der Referent, die Patentdaten in verlässlicher Qualität vor, lassen sich auch große und globale Patentportfolien gut organisieren und die Kosten kontrollieren, wenn sie in einer Patentverwaltungssoftware erfasst werden.

Maschine versus Mensch

Menschliche und Roboter-Hand beim Tauziehen

„AI oder Mensch: Wer weiß besser, ob eine Erfindung innovativ ist?“ Bastian July von der GoodIP GmbH (München) stellte seinen Vortrag unter ein provokantes Motto. Er stellte verschiedene Methoden vor, die zur Potentialanalyse von Erfindungen und Patenten eingesetzt werden können, darunter AI-unterstützte Software-Lösungen. Workshops mit Experten aus unterschiedlichen Fachgebieten oder die Auswertung sozialer Medien mit ihrer „potenziell globalen Schwarmintelligenz“ sollen laut July dabei helfen, kommerzielle Anwendungsgebiete und Lizenzierungsmöglichkeiten zu identifizieren.

Außerdem gab er Hinweise, wie Patentanmeldungen angepasst werden können, damit sie durch Software-Lösungen eher als werthaltig eingestuft und von Unternehmen für mögliche Technologietransfers oder Lizenzierungen in Betracht gezogen werden.

„Die Potentialanalyse von Patenten hat sich in den letzten 50 Jahren kaum verändert“, so July. „In den nächsten Jahren werden sich durch semantische Suche, Schwarmintelligenz und Empfehlungssysteme ganz neue Möglichkeiten ergeben. Vorausschauende Patentanmelder können schon heute ihre Ausgangsposition verbessern.“

Textanalyse ist Trumpf

In vielen Bereichen können Analysten heute mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz leichter große textbasierte Datenmengen erschließen. Die Analyse kann in Echtzeit laufen; Visualisierungen können kausale Zusammenhänge innerhalb der Textdokumente darstellen. Die Patentrecherche ist aber ein Sonderfall, denn die Textdokumente sind zwar im Aufbau gleich, aber in Sprache, Länge und Inhalt höchst unterschiedlich. „Wie Computer menschliches Textverständnis entwickeln“, betitelte Yannick Loonus von der Bielefelder Semalytix GmbH seinen Vortrag zum technischen Stand der KI-gestützten Textanalyse und ihrer Anwendungsbereiche im Patentwesen. Am Beispiel eines medizinischen Wirkstoffes stellte er einen Ansatz vor, um KI-Techniken für die Patentrecherche zu erschließen.

Auch Marken im Fokus

Aber auch Marken waren ein Thema der diesjährigen PATINFO. „Der Wert der Marke“ nannte Rolf Claessen von Freischem & Partner Patentanwälte (Köln) seinen Vortrag. Eine Marke kann für Unternehmen auf ganz verschiedene Art wertvoll sein, nicht nur in monetärer Hinsicht, so Claessen. Anhand von Fallbeispielen legte er dar, wie wichtig eine Marke sein kann, wenn man sich im Wettbewerb durchsetzen möchte, etwa durch Verbietungsrecht, Antrag auf Zollbeschlagnahme oder Lizenzeinnahmen.

Das Inkrafttreten des neuen Markengesetzes am 14. Januar 2019 brachte einen Paradigmenwechsel betreffend die Anforderungen an die Darstellung von Registermarken mit sich: An die Stelle ihrer grafischen Darstellbarkeit unter Festlegung des Darstellungsmittels trat die Darstellbarkeit in einer Weise, dass Behörden und Publikum ihren Gegenstand klar und eindeutig erkennen können, also unter Festlegung des Darstellungsziels. Senta Bingener vom DPMA berichtete in ihrem Vortrag über die sich daraus ergebenden Fragestellungen und über die ersten Erfahrungen des Amtes mit solchen Anmeldungen.

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Bilder: iStock.com/ktsimage, iStock.com/phonlamaiphoto, iStock.com/andreypopov

Stand: 17.09.2024