Inhalt
230. Geburtstag der Erfinderin Nancy M. Johnson
US3254A
Eis für alle!
Eiscreme ist die wohl populärste und verbreitetste Nascherei weltweit. Aber einst war sie ein äußerst exklusiver Genuss, den sich nur wenige leisten konnten. Eis für alle gibt es erst seit Nancy Johnson. Sie erfand 1843 ein Gerät, mit dem man Speiseeeis relativ einfach zu Hause herstellen konnte. Dafür erhielt sie ein US-Patent - und gehört damit nicht nur zu den Pionierinnen der Eiscreme-, sondern der Technikgeschichte insgesamt.
Eis ist seit Jahrhunderten als luxuriöse Leckerei bekannt – schon römische Caesaren und chinesische Kaiser erfreuten sich daran. Lange handelte es sich dabei um veredeltes Natureis, also gefrorenes Wasser oder Schnee. Später entwickelte man das Milchspeiseeis. Dafür musste man eine Eismasse in einem doppelwandigen Gefäß, in dem sie von viel Natureis umgeben war, stundenlang mühsam von Hand umrühren. Dieses Eis wurde entsprechend sehr teuer verkauft.
Missionarin, Lehrerin, Erfinderin
Nancy Johnson machte dem ein Ende. Allzu viel ist über die Erfinderin nicht bekannt: Sie wurde am 28. Dezember 1794 als Nancy Maria Donaldson geboren (wohl irgendwo im Bundesstaat New York, das weiß man leider nicht so genau). Zusammen mit ihrer Schwester Mary engagierte sie sich für die „American Missionary Association“. 1823 heiratete sie den Naturwissenschaftler Walter Rogers Johnson (1794-1852), der später eine führende Rolle in der „American Association for the Advancement of Science“ spielen sollte. Das Paar, das in Philadelphia lebte, adoptierte zwei Kinder.
Und die dürften sich ganz besonders über das gefreut haben, was ihre Mutter am 9. September 1843 zum Patent anmeldete: „Artifical freezer“ ( US3254A) nannte sie ihre Erfindung – eine handgekurbelte Eismaschine!
Thermodynamischer Trick
Johnsons „freezer“ nutzte die Prinzipien der Thermodynamik und der endothermen Reaktionen. Der hölzerne Bottich, der von außen einem Butterfass ähnelte, enthielt einen Metallzylinder für die Eismasse. Zwischen Zylinder und Außenwand befand sich eine Mischung aus Salz und zerstoßenem Eis. Da Salz den Schmelzpunkt von Flüssigkeiten herab setzt, brachte es das Eis zum Schmelzen, senkte aber gleichzeitig die Temperatur unter den Gefrierpunkt. Der Masse im Zylinder wurde dadurch Wärmeenergie entzogen, so dass sie anfror (das gleiche Prinzip empfehlen heute zahlreiche „hacks“ in den sozialen Medien, um beispielsweise Bier sehr schnell zu kühlen).
Per Handkurbel setzte man einen Rührarm mit zwei geschwungenen, gelochten Platten im Inneren des Zylinders in Drehung, Mithilfe dieses „beaters“ oder „dashers“ ließ sich die Eismasse ohne viel Kraftaufwand gleichmäßig bewegen; vor allem aber wurden die Eiskristalle, die sich durch die äußere Kühlung an den Wänden des Zylinders bildeten, abgeschabt und untergemischt.
Etwa 30 Minuten blieb das fertige Eis in dem „freezer“ kalt, es war also nur für den sofortigen Verzehr geeignet. Auch Sorbet ließ sich mit dem Gerät herstellen.
Eis, Eis, Baby!
Moderne Variante von Johnsons handgekurbelter Eismaschine mit Kühlakku
Das war die „Eisrevolution“. Johnsons Konstruktion vereinfachte und beschleunigte die Herstellung von Eiscreme erheblich. Sie schmeckte sogar besser, da sie durch den „beater“ luftiger und cremiger wurde. Man benötigte auch viel weniger Natureis und Salz als früher. Strom war ebenfalls nicht erforderlich. Eis wurde jetzt viel günstiger - fast jeder Haushalt konnte nun selbst gute Eiscreme produzieren. Eis wurde vom hochexklusiven Luxusprodukt zur Leckerei für alle.
Dass Johnson ihre Erfindung selbst und auf ihren eigenen Namen (und nicht etwa den ihres Mannes) zum Patent anmeldete, war seinerzeit noch sehr ungewöhnlich. Sie bewies echten Pioniergeist. Johnson konnte oder wollte aber ihre Erfindung nicht selbst vermarkten. Sie verkaufte die Patentrechte an einen gewissen William G. Young aus Baltimore. Dafür erhielt sie 1.500, anderen Quellen zufolge sogar nur 200 Dollar. Jedenfalls viel zu wenig für eine Erfindung, die kaum verändert mitunter bis heute in Gebrauch ist!
Nancy Johnson blieb Hausfrau. Ab 1862 unterrichtete sie mit ihrer Schwester im Rahmen des „Port Royale Experiment“-Bildungsprojekts ehemalige Sklaven in South Carolina. Viel mehr ist über ihr Leben leider nicht bekannt. Sie starb im hohen Alter von 95 Jahren am 22. April 1890 in Washington, D.C.
Handgekurbelte Eismaschinen wie Johnsons gibt es bis heute, aber die meisten würden daheim wohl eher ein elektrisches, dann leider auch weniger umweltfreundliches Gerät bevorzugen, etwa die „Haus-Eismaschine“ ( DE212021000321U1 (2,27 MB)).
Text: Dr. Jan Björn Potthast, Bilder: DEPATISnet, unbekannter Fotograf, Public domain via Wikimedia Commons, gmhofmann, Public domain via Wikimedia Commons
Stand: 06.12.2024
Soziale Medien