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Der Strandkorb
Immer schön Abstand halten: Strandkörbe in Dornum
My Korb is my castle: Klobiges Küstenmöbel oder hippes Strand-Accessoire?
Er war in den Sommern der Pandemie das Urlaubsmöbel der Stunde: der Strandkorb. Denn wer darin saß konnte sich sicher sein, den Corona-gebotenen Mindestabstand einzuhalten. Aber der Strandkorb hat bereits eine sehr lange Geschichte. Und er wird technisch stetig weiterentwickelt.
Am Strandkorb schieden sich früher die Geister: Ist er die beste aller Erfindungen für den Urlaub am Meer oder bloß ein klobiges Spießer-Accessoire? Von den deutschen Küsten sind die bunten Ungetümer jedenfalls nicht wegzudenken, an anderen Gestaden kennt man sie hingegen überhaupt nicht. Im Juni 1882 soll der erste Strandkorb in Warnemünde aufgestellt worden sein. Und nie war er so begehrt wie heute: Die Strandkorbverleiher an den deutschen Küsten können sich über die Nachfrage wahrlich nicht beklagen, hört man.
Überdachte Korbstühle seit Jahrhunderten bekannt
Die Legende besagt, dass eine rheumakranke ältere Dame, die entweder „Elfriede von Maltzahn“ oder „Fräulein von Oerzen“ geheißen haben soll, im Frühjahr 1882 die Werkstatt des Rostocker Hof-Korbmachermeister Wilhelm Bartelmann betrat. Sie erbat sich von ihm ein vor Wind und Sonne schützendes Sitzmöbel, um sich trotz ihrer Krankheit am Ostseestrand aufhalten zu können. Bartelmann (1845–1930) bastelte ihr einen einsitzigen Strandstuhl mit einer Hülle aus Weidengeflecht, die er mit Stoff verkleidete.
Solche Stühle gab es an der Nordsee schon länger, daher ist es fraglich, ob Bartelmann wirklich als Erfinder des Strandkorbes gelten darf. Ein Patent hätte er möglicherweise nicht erhalten, da bereits 1871 der Korbmacher Ernst Karl Nikolaus Freese in seinem Musterbuch einen sehr ähnlichen „Strandstuhl mit Überdachung aus Weiden und Peddigrohr, mit Ölfarbe lackiert“ anbot. Die Legende besagt, dass Bartelmann sich entweder aus Überzeugung weigerte oder aber schlichtweg vergaß, ein Patent anzumelden.
Es war dann auch weniger der Hof-Korbmachermeister als vielmehr seine Frau Elisabeth, die das Potenzial des Strandmöbels erkannte und dafür sorgte, dass es sich innerhalb weniger Jahre an den deutschen Küsten ausbreitete. Sie kümmerte sich um die Vermarktung und etablierte den Strandkorb als saisonales Mietmöbelstück für Sommerfrischler. Außerdem spornte sie ihren Mann zur Weiterentwicklung an. Bartelmann konstruierte den bis heute charakteristischen Prototyp eines Zweisitzers mit Markise, Fußstützen und seitlichen Klapptischen (und deshalb darf er dann wohl doch mit einigem Recht als eigentlicher „Erfinder“ des Strandkorbs gelten, trotz aller Vorläufer).
Seit 1910 fast unverändert – trotz vieler Ideen
"Strandkorb" (DE901945B), 1949
Bartelmanns ehemaliger Geselle Johann Falck gründete im Kielwasser seines Meisters später eine eigene Manufaktur. Er verpasste dem Strandkorb 1910 noch eine verstellbare Lehne und vollendete so seinen typischen Aufbau. Bis heute werden Strandkörbe praktisch unverändert hergestellt. Man unterscheidet aber zwischen Ost- und Nordsee-Typ: die Strandkörbe am baltischen Meer sind etwas runder, geschwungener geformt als die an der Nordsee; dort sind die Strandkörbe eher kantig und gradlinig – wie das Meer, so der Strandkorb.
Strandfestung und Liebeslaube
In einer kleinen Kulturgeschichte des Strandkorbes würde unweigerlich das Stichwort „Küsten-Schrebergarten“ fallen, da es lange üblich war, ihn mit einer Sandburg zu ummauern und zu beflaggen. In der Weimarer Republik etwa wurde gerne auch am Strand die jeweilige politische Gesinnung demonstriert. Man würde ferner auf die beliebte Nutzung als „Sturmfreie Bude“ oder „Lusthäuschen“ für Paare stoßen, die im entsprechenden Lied- und Filmgut verarbeitet wurde („Wenn die Strandkörbe wackeln, ja, mein Kind, dann ist das nicht immer der Wind“ - aus einem Schlager der 1990er). Darauf spielt auch das 2004 beim DPMA eingetragene Design einer roten, herzförmigen Korblaube an (40401656-0001). Und man landete bei Thomas Mann, der in seinem „vertrauten und eigentümlich bergenden Sitzhäuschen“ am Strand von Nidden an seinen Romanen arbeitete.
Anatomie eines Dauerbrenners
Aber wir befassen uns hier selbstverständlich hauptsächlich mit den technischen und schutzrechtlichen Aspekten des Strandkorbes.
Der typische Strandkorb ist etwa 1,6 Meter hoch, 1,2 Meter breit und wiegt rund 80 Kilo. Strandkörbe sind also klobig, schwer und nicht leicht zu transportieren. Der Vorteil dieser Bauweise liegt darin, dass sie nicht leicht geklaut, verschleppt, vom Sturm umgeworfen oder weggeschwemmt werden können. Der Strandkorb ist quasi „sturmfest und erdverwachsen“, wie es im „Niedersachsen-Lied“ von den dortigen Eingeborenen heißt. Dennoch verlieren die Verleiher bei überraschenden Sturmfluten immer mal wieder einen Teil ihrer Möbel, wenn das Meer sie mitreißt.
Abgesehen vom sogenannten „Typ Platte“ aus DDR-Zeiten mit massiven Pressspan-Wänden weisen Strandkörbe bis heute das charakteristische Geflecht an Seitenteilen und Haube auf. Allerdings ist dieses jetzt fast immer aus Kunststoff, seltener aus asiatischem Bambus-Bast oder Rattan und kaum noch aus der traditionellen Weide.
Strandkörbe zum Falten, Schwimmen, Liegen
Es stellt sich die Frage, warum sich das Meermöbel trotz allen technischen Fortschritts seit 100 Jahren so wenig verändert hat. Alternativvorschläge und Ideen gab und gibt es genug.
Da wäre zum Beispiel Felix Schneider aus Dresden, der 1893 vorschlug, einen Strandkorb aus Reisekörben zusammenzusetzen ( DE 70848A). Theodor Krech aus Meiningen ließ sich dagegen 1907 einen zusammenfaltbaren Strandkorb in Großbritannien und USA patentieren ( US882948A, GB190622803A). Wilhelm Hamacher aus Essen meldete 1939 einen zusammenklappbaren Strandkorb aus Stahlrohren zum Patent an ( DE682476A).
Bereits 1907 meldete Alfred Blum aus Berlin den „In eine Lagerstätte umwandelbaren Strandkorb“ zum Patent an ( DE198819A), dessen Lehne vollständig umgelegt werden und auf dem man folglich richtig liegen konnte. Diesen Ansatz führte Herbert Broszeit aus Hameln 1950 mit seinem „Verstellbaren Strandkorb“ weiter aus ( DE908666B). Die Idee wurde in jüngster Zeit wieder aufgegriffen, als Schlafkörbe zum Übernachten am Strand auf den Markt kamen.
„…auch als Boot verwendbar“
Strandkorb aus Vollholz mit Rollladen, 2018 (Gebrauchsmuster DE 202018000313 U1)
Die Stabilität der Strandlauben erschien Erfindern immer mal wieder verbesserungswürdig, so etwa Hugo Erpel aus Hamburg, der 1949 eine solidere Verbindung der typischen Einzelteile zum Patent anmeldete ( DE 901945).
Eine besonders originelle Idee hatte Wilhelm Schulze aus Lübeck: Er ließ sich 1911 einen Strandkorb patentieren, der auch als Boot verwendet werden konnte. Laut DE 236413A brauchte man das stromlinienförmige, mit „Blechplatten o. dgl. überspannte Ruhegestell“ lediglich umzudrehen und konnte losrudern. Schulzes Erfindung setzte sich nicht durch – vielleicht zum Glück, denn der Konstrukteur schlug vor, die Wände mit einer Asbestschicht als Wärmeschutzmittel zu verkleiden.
Viele Ideen, doch der Klassiker bleibt bestehen
Strandkorbverleiher verschließen ihre unvermieteten Lauben oft mit einem externen Holzgitter, was relativ umständlich ist. Abhilfe schafft der Vorschlag, das Oberteil umklapp- und verschließbar zu gestalten: „Strandkorb mit nach vorne, komplett verschließbarem Oberkorb“ (sic!) ( DE 202016002688 U1) wurde 2016 beim DPMA eingetragen.
Weitere aktuelle Neuentwicklungen sind etwa der „Rollstuhlfahrerstrandkorb“ ( DE 202016003165 U1) oder die Idee, den Korb mit einer Fotovoltaikanlage auszustatten, um kleine Elektrogeräte zu betreiben bzw. zu laden ( DE 202016006294 U1).
Weitgehend mit dem herkömmlichen Design bricht DE 202018000313 U1, die einen Vollholz-Strandkorb mit elektrischen Rollläden vorschlägt. Sehr elegant ist dagegen das 1997 eingetragene Design M9704932-0001, das an klassische Thonet-Bugholzmöbel erinnert. Ein der jüngsten Weiterentwicklungen des klassischen Strandkorbs sieht eine zerlegbare Konstruktion und Seitenfenster vor ( DE 202017101563 U1).
Weiter, immer weiter
Eine neue Variante ist ein eher muschelartiges Gehäuse mit Standfüßen, das im Gegensatz zum klassischen Strandkorb sehr leicht aufbau- und transportierbar sein soll: Der „Komplett verschließbare Strandkorb“ ( DE02020201815U1) besteht aus Kunststoff und besticht durch eine "geschlossene Formsprache“, wie es in der Gebrauchsmuster-Anmeldung heißt.
Weitere neue Anmeldungen versprechen verbesserte Detaillösungen an der Fußablage ( DE202020003898U1), am Anhängetisch ( DE202021102650U1) oder am Material, etwa durch die Verwendung einer luftundurchlässigen Zwischenschicht aus Acrylglas ( DE202022104282U1).
Weil Strandkörbe traditionell groß und sehr schwer sind, schlägt DE202021001719U1 ein elektrisches Trägerfahrzeug für den Transport vor.
Strandkörbe werden heute in zahllosen Varianten gefertigt und erfreuen sich auch fernab von den Küsten zunehmender Beliebtheit als Gartenmöbel oder Biergarten-Dekoration. Jedes Jahr sollen einige Tausend Stück produziert werden. Die Zahl aller Strandkörbe an den Küsten wird auf mindestens 100.000 geschätzt.
Text: Dr. Jan Björn Potthast; Bilder: DPMA/JBP, DEPATISnet, Gemeinfrei/via Wikimedia Commons, DEPATISnet
Stand: 03.09.2024
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