Inhalt

Reinhold Messners 80. Geburtstag

Der Bergeflüsterer

Er ist der berühmteste und erfolgreichste lebende Bergsteiger der Welt. Außerdem Autor, Abenteurer, Philosoph, Museumsgründer und meisterhafter Vermarkter seiner selbst: Reinhold Messner. Am 17. September 2024 feiert der Südtiroler seinen 80. Geburtstag.

Eine kleine Auswahl aus Messners Rekorden: Als Erster bestieg er einen Achttausender im Alleingang (Nanga Parbat, 1978). Gemeinsam mit Peter Habeler erklomm er im gleichen Jahr den Mount Everest ohne zusätzlichen Sauerstoff aus der Flasche. Zwei Jahre später bestieg er ihn nochmals alleine, wieder ohne Sauerstoff und als Erster in dieser Form. Und er war der erste Mensch, der alle Achttausender bezwang, die vierzehn höchsten Berge der Erde.

Alle Achttausender erklomm Messner im sogenannten „Alpin-Stil“, also ohne zusätzlichen Sauerstoff aus der Flasche, ohne großes Team mit Trägern und Helfern, ohne vorbereitete Zwischenlager, vorgelegte Seile, Haken usw. Dieser Purismus ist Messners Markenzeichen. Seine Maxime war es, auch auf den gefährlichsten Touren konsequent auf Bohrhaken, Sauerstoffmasken und Satellitentelefone zu verzichten. Hightech-Hilfsgeräte wie etwa die „Hochgebirgs-Expeditionsmaske“ ( pdf-Datei DE202021101526U1 (1,08 MB)) oder „Höhen-Maske“ ( pdf-Datei WO002022200271A1 (1,61 MB), zwei der neueren Anmeldung dieser Art) lehnt er ab. Leidenschaftlich verteidigt er seine Philosophie und geht dabei – wie auch in anderen Fragen– keiner Auseinandersetzung aus dem Weg.

Philosoph des Puristischen

IR 917602

IR 917602

Das Bergsteigen wurde Messner praktisch in die Wiege gelegt: Schon als Fünfjähriger stand er mit seinem Vater auf einem Dreitausender. Mit acht Geschwistern wuchs er als Sohn eines Lehrers in Villnöß auf. Später studierte er Vermessungskunde an der Universität Padua. Zeitweise arbeitete er sogar als Lehrer für Mathematik an einer Mittelschule. Sein jüngerer Bruder Hubert, ein Kinderarzt, ist übrigens derzeit Mitglied der Landesregierung, sozusagen der Südtiroler Gesundheitsminister.

Reinhold Messner entschloss sich früh gegen den bürgerlichen Beruf und für ein „Leben als Grenzgänger“, wie er sagt. Von den heimischen Dolomiten aus eroberte er erst die schwierigsten Wände der Alpen und dann der gesamten Welt: Er ist der zweite Mensch, dem die Besteigung der „Seven Summits“ gelang, also der jeweils höchsten Berge aller Kontinente (es gibt verschiedene Definitionen, welche Berge dazu gehören; eine der maßgeblichen Listen – die mit dem schwierigen Puncak Jaya auf Neuguinea – stammt von Messner).

Abenteuer im Extremen

Der Nanga Parbat

Der Nanga Parbat mit der Rupal-Flanke, der höchsten Wand der Erde - Messners erster Achttausender

Als Messner seine bergsteigerischen Ambitionen gestillt hatte, suchte er andere Abenteuer. Unter anderem durchquerte er zu Fuß die Antarktis, Grönland und die Wüste Gobi. Eine ganz neue Herausforderung stellte sich ihm als Politiker: Eine Legislaturperiode saß er als Abgeordneter der Grünen im Europaparlament.

„Nur im Gegenwind kann man abheben und fliegen“ ist der Schlüsselsatz seines neuesten, gerade erschienen Buches. Darin zieht Messner seine Lehren aus den Kontroversen, die ihn seit Jahrzehnten begleiten. Und da gab und gibt es viele - von der Tragödie um den Tod seines Bruders Günther am Nanga Parbat 1970 über den kürzlichen Versuch, ihm am „grünen Tisch“ Jahrzehnte später einige Ersteigungen abzuerkennen, bis hin zum traumatischen Ende seiner zweiten Ehe.

EM 018213817

EM 018213817

Der streitbare Jubilar ist ein Genie der Selbstvermarktung: Seine zahllosen Bücher, Vorträge, Expertisen und Werbeverträge haben nicht nur seine Abenteuer finanziert, sondern ihm ein beträchtliches Vermögen eingebracht. Dass er einen großen Teil davon kürzlich an seine Kinder überschrieb, brachte ihn wegen der daraus resultierenden Familienzwistigkeiten zuletzt wieder besonders oft in die Medien.

Es ist bei seiner enormen Bekanntheit und seiner Vermarktungsfreudigkeit eigentlich erstaunlich, dass er seinen eigenen Namen und seine Unterschrift tatsächlich erst vor wenigen Wochen, am 1. August 2024, zur Marke anmeldete (EM 019062737, EM019062739).

Lebenswerk und Vermächtnis: die MMM

EM019062739

EM019062739: Messners Unterschrift, zur Marke angemeldet am 1.8.2024

Seine weltweit gesammelten Erlebnisse aus den Extrembereichen der Erde, die Erfahrung einer ebenso grandiosen wie erbarmungslosen Natur und die Begegnungen mit den Lebenswelten der indigenen Bergvölker inspirierten Messner zu seinem größten Projekt, seinem „15. Achttausender“, wie er sagt: dem externer Link Messner Mountain Museum. Diese Kette von Museen an spektakulären Orten seiner Heimat Südtirol gehört zu den spannendsten weltweit. Herzstück ist die mächtige Burg Sigmundskron bei Bozen, das MMM Firmian. Auch auf Schloss Juval, seinem eigenen Sommersitz, lässt Messner Gäste seine Privaträume und Expeditionskeller ebenso besichtigen wie zahlreiche Objekte zum Thema „Mythos Berg“. MMM Corones, spektakulär gelegen auf dem Gipfel des Kronplatzes und gebaut von der legendären Architektin Zaha Hadid, zeigt den traditionellen Alpinismus. Ortles, die unterirdische Dependance am Ortler, widmet sich den Themen Eis und Gletscher. Dort, in Sulden am Ortler, züchtet Messner übrigens auch Yaks und betreibt ein Restaurant („Yak und Yeti“). Auch in Nepal unterstützt Messner Museumsprojekte, etwa zur Geschichte der Sherpa.

Der ehemalige Extremsportler und radikale Individualist ist also alles andere als im Ruhestand. Mit seiner „Messner Mountain Heritage“ (u.a. DE3020200047684) setzt er sich unermüdlich dafür ein, das traditionelle Bergsteigen zu bewahren. Außerdem kämpfen seine dritte Frau Diane und er weiter unermüdlich für die Bewahrung der Natur und der Lebenswelten der Bergvölker.

Text: Dr. Jan Björn Potthast, Bilder: Getty Images Jakubaszek, DPMAregister, Tahsin Anwarali CC by-SA 3.0 via Wikimedia Commons, DPMAregister

Stand: 05.09.2024