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Der 2CV wird 75

2CV am Strand, 1967

Ente gut, alles gut

Sie ist ein Sinnbild Frankreichs wie Baskenmütze, Baguette und Brigitte Bardot: die Ente. Vor 75 Jahren wurde der Citroen 2CV in Paris erstmals vorgestellt. Eine Hommage an ein Automobil, das über Generationen hinweg mehr Menschen ans Herz gewachsen ist als jedes andere (abgesehen vielleicht vom VW Käfer).

Das Ei wurde bereits Mitte der 1930er Jahre gelegt: Citroën begann das Projekt TPV - für „Toute Petite Voiture“, ein ganz kleines Auto also sollte es werden, ein minimalistisches, preiswertes Gefährt für alle, vor allem aber für die Landbevölkerung. „Entwerfen Sie ein Auto, das Platz für zwei Bauern in Stiefeln und einen Zentner Kartoffeln oder ein Fässchen Wein bietet, mindestens 60 km/h schnell ist und dabei nur drei Liter auf 100 km verbraucht“, sollen die Anforderungen an den Konstrukteur André Lefèbvre gelautet haben.

Außerdem soll Lefèbvre die Vorgabe bekommen haben, dass das TPV selbst schlechteste Wegstrecken bewältigen können und ganz einfach zu bedienen sein musste. Großer Wert wurde auch auf eine besonders gute Federung gelegt: ein Korb voller Eier sollte eine Fahrt über holprige Feldwege zum Markt unbeschadet überstehen.

Das „hässliche Entlein“ schlüpft

Wirklich noch ein "hässliches Entlein". der Prototyp von 1939

Wirklich noch ein "hässliches Entlein": der Prototyp von 1939

250 Prototypen des TPV wurden gebaut. Aber der Weltkrieg verhinderte die Vorstellung des französischen Volks-Wagens. Citroen versteckte sein Projektauto vor den deutschen Besatzern, die in den Werken der Firma Panzer fertigen ließen.

Am 7. Oktober 1948 ließ Citroën auf dem Pariser Autosalon endlich die Ente aus dem Ei schlüpfen. Der neue Kleinwagen war ein im Vergleich zum TPV vollständig überarbeitetes Modell mit einem luftgekühlten Motor und wesentlich hübscher als der unansehnliche Prototyp, wurde aber trotzdem erstmal als „hässliches Entlein“ oder „Sardinenbüchse“ verspottet.

2CV steht für „deux chevaux“, „zwei Pferde“. Das bezog sich nicht etwa auf die PS-Zahl, wie mancher meinte (die erste Ente hatte immerhin neun „chevaux vapeur“, also 9 PS!), sondern auf die Kennzahl „cheval fiscal“ im damaligen französischen Kfz-Steuersystem, bei der auch Kriterien wie Anzahl der Gänge, Getriebeübersetzung und Reifengröße eine Rolle spielten. Diese Benennung war auch bei anderen französischen Modellen dieser Zeit üblich (etwa beim Renault 4CV).

Bestseller mit 9 PS

Der 2CV war ein günstiges Auto. Die einfache Technik hielt die Unterhaltskosten niedrig, der kleine Hubraum die Steuer. Deshalb ging das Konzept auf und der Wagen verkaufte sich gut – so gut, dass anfangs bis zu 6 Jahre Lieferzeit anfielen. Nicht mal das schreckte die Käufer ab. Der 2CV wurde Citroens erfolgreichstes Auto. Zwischen Sommer 1949 und Mitte 1990 wurden 3.868.631 viertürige Limousinen und 1.246.335 Lieferwagen (auch bekannt als „Kastenente“) gebaut.

Zwei Väter, drei Klassiker

"Enten"-Werbung von 1964

"Enten"-Werbung von 1964

Die beiden Väter der „Ente“, der Designer Flaminio Bertoni (1903-1964) und der Konstrukteur André Lefèbvre (1894-1964), sind außerdem für zwei weitere Klassiker der Automobilgeschichte verantwortlich, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten:
1934 wurde der Traction Avant („Frontantrieb“) vorgestellt, der unter dem Spitznamen „Gangsterauto“ bekannt wurde – seine exzellenten Fahreigenschaften machten ihn zum beliebtesten Fluchtfahrzeug seiner Zeit.
Ebenso technische, aber vor allem optische Avantgarde war ihre „Göttin“ von 1955: der Citroen DS, „la déesse“. Eine wahre Ikone, voller technischer Innovationen (u.a. Hydropneumatik, Servolenkung), verpackt in einem bis heute viel bewunderten Design. Neben der ultramodernen „Göttin“ erschien der 2CV wirklich nur wie ein hässliches altes Entlein… aber gerade deshalb flogen ihm viele Herzen zu.

Anachronistischer Charme

Historisches Foto 2CV, 1959

Ente mit Familie auf großer Fahrt, 1959

In den späten 1960er Jahren, als die Ente technisch bereits längst veraltet war und einen anachronistischen Charme entwickelte, wurde sie „Kult“: Studenten, Individualisten, Hippies und Konsumkritiker entdeckten sie für sich. Hierzulande galt der 2CV als gemächlicher, gut gefederter Botschafter für entspannte französische Lebensart, stand für „laisser-faire“ und „savoir-vivre“. Die Ente war aber auch „das richtige Auto für Menschen, die eigentlich kein Auto wollten oder keins bezahlen konnten“, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ einmal schrieb.

Der 2CV wurde Element der Pop-Kultur: Es gab Tiger-Enten, Pol-Enten als Polizeifahrzeuge und Rallye-Enten. Sogar der Nobelhobel-verwöhnte James Bond setzte sich ans Steuer einer Ente und bretterte mit ihr durch Olivenhaine (im Film „In Tödlicher Mission“).

Aufrüstung der Ente

James-Bond-Sondermodell des 2CV

AgEnte: James-Bond-Sondermodell des 2CV

Der 2CV mit seinem beliebten Faltdach und der charakteristischen Revolverschaltung wurde im Laufe seiner langen Fabrikationszeit behutsam verbessert: 1957 erhielt die Ente eine Heizung und sogar einen Kofferraumdeckel. Nun musste man nicht mehr das Stoffverdeck an der Unterseite öffnen, um an den Kofferraum zu gelangen.

1964 wurde der Tacho von der Fenstersäule in das Armaturenbrett verlegt; eine Tankanzeige ersetzte den Messstab. Die vordere Sitzbank wurde erst 1971 durch zwei einzelne Sitze ersetzt. Aber bereits 1972 gab es serienmäßig 3-Punkt Sicherheitsgurte (das war damals noch längst keine Selbstverständlichkeit!).

Im Laufe der Jahre verdreifachte sich die Motorleistung der Ente. Die letzten Typen der luftgekühlten Zweizylinder-Boxermotoren mit 29 PS Leistung beschleunigten sie auf immerhin 115 Stundenkilometer. Aber da klapperte die Karosse dann schon ganz schön.

Übrigens konnte man bei allen Enten den Motor notfalls mithilfe der Wagenheberkurbel starten. Von Anfang an verfügte der 2CV über eine manuelle Leuchtweitenregulierung für die Scheinwerfer.

Schaukelig und kuschelig

Modell "Charleston", 1982

Modell "Charleston", 1982

Immer gleich blieb das charakteristische Enten-Fahrgefühl: die weiche Federung verlieh ihr eine gute Geländegängigkeit, aber in der Kurve war die starke Seitenneigung gewöhnungsbedürftig. Dank der leichten Karosserie und eines günstigen Schwerpunkts war ein Umkippen aber sehr unwahrscheinlich.

Es gab neben der „Kastenente“ verschiedene Sondermodelle wie die „Sahara-Ente“ mit Allrad-Antrieb und zwei Motoren. Am populärsten in Deutschland war das nostalgische „Charleston“-Modell, das die Ente noch älter aussehen ließ, als sie ohnehin schon war und in den 1980ern für einen neuen Absatzboom sorgte (Übrigens ließ sich Citroen die Marke „Charleston“ erst lange nach dem Ende der Ente sichern, Registernummer: 39843270).

Nach vier Jahrzehnten am Ente

1027502DE

1027502DE

Als das Ende für die Ente nahte, war sie seit Jahrzehnten technisch veraltet (der aktuelle Stand der Technik im Automobilbau lässt sich übrigens immer gut an den neuesten Patentanmeldungen in der DPMA-Datenbank DEPATISnet ablesen). 1988 wurde die Produktion in Frankreich eingestellt. Am 27. Juli 1990 rollte im Citroën-Werk von Mangualde in Portugal der letzte 2CV vom Band.

Heute erfreuen sich die überlebenden Enten einer aktiven Liebhaberszene. Gepflegte Exemplare haben längst ihren Preis. In einer eigenen Liga spielt dabei die „Sahara-Ente“ mit Allrad-Antrieb und zwei Motoren, die für sechsstellige Beträge gehandelt wird.

2002 wurde der 2CV in Frankreich zum „Auto des 20. Jahrhunderts“ gewählt. Die Ente (die dort übrigens nicht etwa „canard“, also Ente, genannt wird, sondern kurz „deuche“ oder „deux-pattes“ - „Doppel-Pfote“) gehört zum Kulturerbe des Landes wie Eiffelturm, Brie und Bordeaux.


Zum Citroen-Firmenlogo (1027502DE, in dieser Form eingetragen 1979): Unternehmensgründer André Citroën (1878–1935) ließ sich dazu von der Schräg- bzw. Pfeilverzahnung von Zahnrädern inspirieren, die zu den ersten Produkten gehörten, die seine Firma produzierte.

Text: Dr. Jan Björn Potthast; Bilder: Citroen Kommunikation, DPMAregister

Stand: 09.04.2024