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Ferdinand Porsche
DE692180A
Der Ingenieur und sein Jahrhundert
Am 30. Januar 1951 starb einer der bekanntesten Automobil-Entwickler des 20. Jahrhunderts: Ferdinand Porsche. Den meisten ist er als „Vater“ des VW Käfer und Gründer der gleichnamigen Sportwagenschmiede ein Begriff. Aber Porsche steht auch für etliche wegweisende Patente im Autobau, Erfolge im Rennsport und Innovationen wie ASR, das erste Hybridauto, den ersten Allradwagen - und die Verstrickung in das NS-Regime.
Ferdinand Porsche wurde am 3. September 1875 im böhmischen Maffersdorf geboren, dem heutigen Vratislavice in Tschechien. Nach einer Lehre als Spengler bei seinem Vater begann er 1893 bei der Elektrofirma Bela Egger & Co. in Wien. Dort entwickelte er einen Radnaben-Elektromotor und wechselte damit zur Kutschenfabrik Jacob Lohner & Co. in Wien.
Ein Meilenstein: Der „Lohner-Porsche“
Dort entstand ein Meilenstein der Technikgeschichte: das Elektromobil „Lohner-Porsche“ (patentiert als AT19645B, „Antriebslenkrad mit Elektromotor“). Er wurde 1900 auf der Weltausstellung in Paris als erstes Auto ohne Getriebe und mit lenkbarer Radnabe vorgestellt und gefeiert. „Semper Vivus“ – so nannte der Ingenieur das Fahrzeug - machte Porsche zum Pionier der Elektromobilität. Vier Radnabenmotoren mit einer Leistung von je 1500 Watt trieben eine Sonderanfertigung des Lohner-Porsche an – und machten diese zum ersten Allradwagen der Welt.
Im gleichen Jahr entwickelte Porsche bei Lohner das erste voll funktionsfähige Hybridfahrzeug, den „Mixte-Wagen“. Das kutschenartige Gefährt kombinierte den batteriebetriebenen Radnabenantrieb mit einem Benzinmotor (damit verknüpfte Patente: u.a. AT19327B). Pferdefuß der Konstruktion war aber das hohe Gewicht der Batterien (rund 1800 Kilogramm). Das Thema Hybridantrieb sollte Porsche noch Jahrzehnte beschäftigen (siehe etwa AT98101B).
Nach Stuttgart
Fast ein Vierteljahrhundert lang war Ferdinand Porsche dann als Technischer Direktor bei Automobilherstellern tätig. Von 1906 bis 1923 arbeitete er beim österreichischen Hersteller Austro-Daimler in Wiener Neustadt (wo er unter anderem auch für die noch junge Luftfahrt konstruierte, siehe „Propellerantrieb“ AT64392B), dann bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft in Stuttgart-Untertürkheim, wo er auch Vorstandsmitglied war.
Nachdem Daimler mit Benz & Cie. zur Daimler-Benz AG fusioniert hatte, wurde Porsches Vertrag 1928 nicht mehr verlängert. Der Vorstand soll sich einen „weniger genialen“, dafür sparsameren Konstrukteur für schlichtere, solide Entwürfe gewünscht haben. Porsche gab dann ein kurzes Gastspiel als technischer Direktor der Steyr-Werke AG, kehrte aber 1930 wieder nach Stuttgart zurück.
Schritt in die Selbständigkeit
Ferdinand Porsche war nun Mitte fünfzig, zweifacher Ehrendoktor, bekannter Konstrukteur erfolgreicher Sportwagen (z.B. Austro-Daimler „Sascha“, Mercedes-Benz Typ S/SS/SSK) – und arbeitslos. Nun machte er sich selbständig und gründete 1931 zusammen mit einigen Ingenieuren aus Steyr ein Dienstleistungsunternehmen, die „Dr. Ing. h.c. F. Porsche GmbH, Konstruktionen und Beratung für Motoren und Fahrzeuge“.
Rennerfolg mit dem Mittelmotor
Dieses Ingenieurbüro, Vorgänger der heutigen Porsche AG, erhielt in den nächsten Jahren bedeutende Aufträge und wurde eine Erfolgsgeschichte. Für die Auto-Union konstruierte Porsche ein Rennauto mit einem vor der Hinterachse liegenden Motor – damals ungewöhnlich, bis heute Standard bei Formel-Rennwagen (patentiert als „Fahrgestell für Rennwagen“, DE692180A). Dieser „Auto-Union-Rennwagen“ (Porsche Typ 22) sollte zusammen mit den Mercedes-„Silberpfeilen“ in den folgenden Jahren den Rennsport dominieren und Ferdinand Porsche endgültig seinen Platz in der Geschichte der Automobilrennen sichern.
Antischlupf und Drehstabfeder
Ferdinand Porsche machte im Lauf der Jahre etliche Erfindungen, die den Automobilbau teilweise bis heute prägen. So entwickelte er ein umklappbares Lenkrad, um das ein- und Aussteigen ins Auto zu erleichtern ( DEP0004862MAZ); außerdem die stoßunempfindliche Spindellenkung ( DE583522A) und die Drehstabfederung ( DE623747A). Mit DE695718A war er seiner Zeit weit voraus: Sie beschreibt praktisch die Antischlupfregelung, die heute zur Standard-Sicherheitsausrüstung der meisten Autos gehört.
Nach Hitlers Machtübernahme wurde Ferdinand Porsche zu einem der bekanntesten Ingenieure des „Dritten Reiches“. Erst jetzt nahm er die deutsche Staatsbürgerschaft an, trat der NSDAP bei, wurde Mitglied der SS im Generalsrang ("Oberführer") und hatte einen guten persönlichen Draht zum Diktator. Hitler forderte die Konstruktion eines preiswerten, sparsamen Autos für die breite Masse. Porsches Büro erhielt 1934 vom „Reichsverband der Deutschen Automobilindustrie“ den Auftrag, den Prototyp für einen solchen „Volkswagen“ zu entwickeln.
Des Käfers viele Väter
Die Entstehungsgeschichte dieses Autos, das zunächst „KdF-Wagen“ („Kraft durch Freude“) hieß und nach dem Krieg als VW Käfer zum meistgebauten KFZ der Welt werden sollte, ist komplex und nicht unumstritten. Ferdinand Porsche gilt landläufig als „Vater“ des Käfers, aber der Beitrag anderer ist höher einzuschätzen.
Da war zum einen der Ingenieur Josef Ganz, der zuvor den ähnlichen „Maikäfer“ und den „Standard Superior“ entwickelt hatte und so die Konstruktion des Volkswagens beeinflusste. Da war auch Karl Rabe, langjähriger Mitarbeiter Porsches, der eine wichtige Rolle spielte. Und da war der berühmte Béla Barényi, der spätere Erfinder der Knautschzone. Sein Beitrag zur Käfer-Konzeption – u.a. wohl der luftgekühlte Vierzylinder-Boxermotor im Heck, das Getriebe vor der Hinterachse, die längs eingebaute Kurbelwelle und die aerodynamische Form des Höckers – waren nach dem Krieg sogar Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen (ein Beispiel für seine Patentanmeldungen aus dieser Zeit: AT152038).
Kreation der „Käfer“-Karosserie
Hans Ledwinka wiederum hatte für Tatra Fahrzeuge entwickelt, die viele Elemente des Käfers vorweg nahmen, vor allem der Tatra 97 (siehe z.B. DE1174628A, DE1219339B). Tatra verklagte Porsche wegen Patentverletzungen, aber die deutsche Besetzung Tschechiens 1939 erstickte diese urheberrechtliche Auseinandersetzung. In den 1960er Jahren zahlte Volkswagen dann eine Entschädigung an Tatra.
Und dann gab es noch Erwin Komenda. Von 1931 bis zu seinem Tod 1966 war Komenda Chefingenieur und Leiter der Porsche-Karosseriebauabteilung. Er wurde in der von Porsche eingereichten Patentanmeldung von 1936, „Kraftfahrzeug mit nach unten offenem, eine selbsttragende Glocke bildendem Wagenkasten“ ( DE744982A), als Erfinder benannt. Die Zeichnungen der Patentschrift zeigen die Chassis-Linie des VW-Käfers, die meistgebaute Karosserie des 20. Jahrhunderts.
Sklavenarbeit und „Vergeltungswaffe“
An der Entstehung des Volkswagenwerks war Ferdinand Porsche als Hauptgeschäftsführer und Aufsichtsrat maßgeblich beteiligt; Werksleiter wurde sein Schwiegersohn Anton Piech. Wegen des Kriegsausbruchs ging der KdF-Wagen aber nicht in Produktion. Stattdessen wurden in Fallersleben (heute Wolfsburg) der Schwimm- und der Kübelwagen für das Heer gefertigt, die auf dem „Volkswagen“ basierten, außerdem Teile für Flugzeuge und Bomben sowie später die „V1“. Porsche nutzte im Volkswagenwerk auch Zwangsarbeiter, forderte diese gar aktiv an und war vollständig im Bild über deren mörderische Arbeitsbedingungen.
Nach dem „Volkswagen“ erhielt Porsche vom NS-Regime auch die Order zur Entwicklung eines „Volkstraktors“ und weitere lukrative Aufträge. Sein Unternehmen wurde 1937 in eine Kommanditgesellschaft umgeformt, deren Anteile außer ihm selbst auch Ferdinands Kindern Ferry und Louise sowie seinem Schwiegersohn Piech gehörten (bis heute spielt Familieneigentum im Geflecht der Besitzverhältnisse von Volkswagen und Porsche eine große Rolle). Die Porsche KG wuchs und gedieh dank der Nähe zum NS-Regime. Aber nicht alle Projekte Porsches wurden zum Erfolg: Seine Panzer-Entwicklungen etwa entpuppten sich als Fehlschläge.
Neubeginn in Kärnten
Als der Zweite Weltkrieg sich dem Ende zuneigte, verlagerte Porsche sein Entwicklungsbüro und Teile der Produktion nach Kärnten. Nach der Niederlage wurde Ferdinand Porsche u.a. im Zusammenhang mit der Übernahme von Peugeot während der deutschen Besetzung Frankreichs mehrfach verhaftet, letztlich aber 1948 freigesprochen.
Sohn Ferry hatte derweil in Gmünd den Wagen konstruieren lassen, mit dem der zweite Teil der Erfolgsgeschichte der Firma beginnen sollte: den Sportwagen Porsche 356. Ferdinand Porsche soll mit diesem Auto sehr zufrieden gewesen sein und erlebte vor seinem Tod noch den Beginn der Serienproduktion in Stuttgart-Zuffenhausen mit. Das von ihm gegründete Unternehmen etablierte sich damit als erfolgreicher Sportwagen-Hersteller - bis heute.
Text: Dr. Jan Björn Potthast; Bilder: DEPATISnet, unbekannt / via Wikimedia Commons, Bundesarchiv Bild_183-2005-1017-525 via Wikimedia, Bundesarchiv Bild 183-H06734 / CC by SA 3.0 via Wikimedia Commons, DPMAregister
Stand: 09.04.2024
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