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Wilhelm Maybach
Maybach Zeppelin DS8
Der Vater des modernen Automobils
Die Pioniere Gottlieb Daimler und Carl Benz kennt jeder, aber der Name des vielleicht wichtigsten Ingenieurs der Frühphase des Automobils ist längst nicht so geläufig: Wilhelm Maybach. Er war der engste Mitarbeiter von Gottlieb Daimler und einer der Stammväter des Konzerns, der heute dessen Namen trägt. Wohl niemand trug technisch so viel dazu bei, aus motorisierten Pferdekutschen die ersten echten Automobile zu entwickeln.
Der geniale Motorenbauer wird am 9. Februar 1846 in Heilbronn geboren. Das Waisenhaus in Reutlingen, in dem er seit seinem zehnten Lebensjahr als Vollwaise lebt, arbeitet mit einer Maschinenwerkstatt zusammen, in der sich sein technisches Talent entfalten kann.
Begegnung mit Daimler
Wilhelm Maybach, ca. 1900
1867 kommt es in diesem „Bruderhaus“ zu einer Begegnung, die Technikgeschichte schreiben sollte: Gottlieb Daimler, der zuletzt als Techniker im Ausland gearbeitet hatte, übernimmt die Inspektion der Werkstatt und lernt dort den zwölf Jahre jüngeren Maybach kennen. Fortan bilden die beiden ein kongeniales Team, das sich perfekt ergänzt: Daimler als technischer Visionär und Geschäftsmann, Maybach als genialer Konstrukteur. Erst Daimlers Tod beendet ihre jahrzehntelange Zusammenarbeit.
Maybach setzt Daimlers Ideen technisch um; Daimler meldet die Patente dafür an – anfangs in der Regel (nur) unter seinem Namen – und setzt sie konsequent durch. So wird etwa Carl Benz zu Lizenzgebühren gezwungen, der Konkurrent, der noch nicht ahnen kann, dass sein Name später stets gemeinsam in einem Atemzug mit Daimler genannt werden wird.
Geniales aus dem Gartenhaus
Eine der ersten gemeinsamen beruflichen Stationen von Daimler und Maybach ist die Gasmotorenfabrik Deutz, an der Nikolaus Otto gerade den nach ihm benannten Motor entwickelt hat. Die beiden machen diesen Viertakt-Gasmotor marktreif und das Unternehmen groß.
Als Daimler nach erfolgreichen Jahren Deutz im Streit verlässt und nach Cannstatt zieht, folgt Maybach ihm. In einem ausgebauten Gewächshaus im Garten von Daimlers Villa richten sich die beiden eine Werkstatt ein. Hier entwickeln sie einen leichten, drehfreudigen Verbrennungsmotor. Bedeutsam ist dabei vor allem Maybachs ungesteuerte Glührohrzündung („Gasmotor“, DE28022A).
Seine Weiterentwicklung, die berühmte „Standuhr“, ist 1884 ein echter Meilenstein: Der Motor ist vergleichsweise leicht und klein, zugleich aber stark und schnelllaufend genug, um Fahrzeuge antreiben zu können ( DE34926A, „Gas- bzw. Petroleum-Kraftmaschine“).
Das erste Motorrad
Als erstes baut Maybach den neuen Motor in eine Art hölzernes Fahrrad mit Stützrädern ein. Der so genannte „Reitwagen“, mit dem Maybach 1885 seine Runden um das Gewächshaus dreht, ist das erste Motorrad der Welt. Bis zu 12 Stundenkilometer schafft das zweigängige Vehikel, das laut Patentschrift auch mit einer Kufe und Spikes versehen werden kann und somit wohl auch als erster Motorschlitten gelten darf ( DE36423A). Im gleichen Sommer vor 145 Jahren unternimmt Bertha Benz mit dem von ihrem Mann Carl konstruierten Gefährt ( DE37435A) die legendäre erste große Autofahrt der Geschichte.
Daimler und Maybach erproben ihren Motor auch in einem Boot und dann 1886 in einer Pferdekutsche. Diese Motorkutsche entwickelt Maybach mit vielen neuen Lösungen weiter zum „Motor-Quadricycle“. Dieser „Stahlradwagen" von 1889 hat zum Beispiel ein Viergang-Getriebe - eine Neuheit, die auf der Weltausstellung in Paris ebenso bestaunt wird wie der Zweizylinder-V-Motor.
Maybach nimmt sich als einer der ersten vor, nicht einfach einen Motor in ein bestehendes Vehikel einzubauen, sondern gleichsam um den Motor herum ein organisches Fahrzeug zu entwickeln.
Die frühen Jahre des Automobilbaus sind geprägt von Patentstreitigkeiten, Wettbewerb und Intrigen. Daimler gründet 1890 die Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG). Maybach wird Chefkonstrukteur, muss aber nach einem Jahr bereits aussteigen. Er konstruiert selbständig weiter, zunächst in seiner Wohnung, dann in einem stillgelegten Hotel. Daimler, der zwischenzeitlich auch seine eigene Firma verlassen musste, finanziert ihn. 1895 kehren beide zurück zur DMG.
Auf dem Weg zum ersten echten Automobil
Maybach schreitet unbeirrt auf dem Weg zum modernen Automobil fort und löst dabei ein technisches Problem nach dem anderen (z.B. DE68492A, DE70260A, DE70577A). So sorgt beispielsweise der „Bienenwaben“-Kühler dafür, dass der Motor nicht überhitzt. Schließlich entsteht ein Fahrzeug, das alle grundlegenden Eigenschaften des modernen Automobils definiert: starker Motor (35 PS!), Leichtmetallkarosserie, stählerner Rahmen mit niedrigem Schwerpunkt, gleich große Räder, Schräglenkung, Schaltung, Zahnradgetriebe. Es ist ein Rennwagen mit Vierzylindermotor und zwei Vergasern.
Der Auftraggeber, ein Vertriebspartner und „Markenbotschafter“ (wie man heute sagen würde), der österreichische Konsul in Frankreich, Emil Jellinek, benennt das Auto nach seiner Tochter: Mercedes.
König der Konstrukteure
Eine Weiterentwicklung dieses Autos, der „Mercedes Simplex", beschert der DMG 1903 ihren ersten großen Rennsieg. Maybach ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere und wird auf dem Pariser Automobilsalon als „König der Konstrukteure“ gefeiert.
Aber seit Daimlers Tod 1900 wird Maybachs Position im Unternehmen zunehmend schwächer. Obwohl einflussreiche Partner wie Jellinek ihn als „gröBtlebenden Konstrukteur von Benzinmotoren“ preisen – der Vorstand will ihn loswerden. Von Intrigen vergrault, verlässt er schließlich 1907 die DMG.
Neustart mit Zeppelinen
Gemeinsam mit seinem Sohn Karl, der schon seit Jahren eng mit ihm zusammenarbeitet, gründet er 1909 die „Luftfahrzeug-Motorenbau GmbH“ in Bissingen, um Zeppeline anzutreiben. Wilhelm zieht sich allmählich auf eine beratende Rolle zurück und überlässt Karl die technische Leitung. Patente meldet er aber weiterhin an, zum Beispiel DE253139A, DE263121A oder DE221146A.
Nach dem Ersten Weltkrieg ist der Bau von Fluggeräten in Deutschland durch den Versailler Vertrag verboten. Die Firma wird in Maybach-Motorenbau GmbH umbenannt. Die Maybachs bauen nun in Friedrichshafen Motoren für die Eisenbahn (etwa für den Hochgeschwindigkeitszug „Fliegender Hamburger"), beginnen aber auch mit der Entwicklung eigener Automobile.
Vor 100 Jahren: Der erste Maybach
Vor hundert Jahren stellen sie auf der Berliner Automobilausstellung 1921 ihren ersten Serienwagen vor, den Maybach W 3. Ein 70 PS starker Sechszylinder-Reihenmotor beschleunigt den Wagen auf bis zu 110 Stundenkilometer. Er begründet die kurze Blüte des Unternehmens als Luxusautoschmiede: Maybach spielt in einer Liga mit Rolls-Royce, Bentley, Bugatti und den Spitzenmodellen von Daimler-Benz (wie ihr Ex-Arbeitgeber seit 1926 heißt); die Autos gehört zum Besten und Teuersten auf dem Markt.
In Friedrichshafen stellt die Maybach-Motorenbau nur Antrieb und Chassis her; die Karosserie überlassen sie (wie damals durchaus üblich) Spezialfirmen wie Hermann Spohn in Ravensburg, die individuelle Kundenwünsche berücksichtigen. Der wohl bekannteste Maybach ist der luxuriöse „Zeppelin“ mit seinem Zwölfzylinder-Motor. Nur etwa 200 Stück werden gebaut.
Insgesamt entstehen bis 1941 rund 1800 Fahrzeuge bei Maybach. Ab dann muss die Firma Motoren für Panzer herstellen. Wilhelm Maybach, der am 29. Dezember 1929 in Stuttgart stirbt, muss nicht mehr miterleben, wie sein Sohn Adolf, Karls jüngerer Bruder, 1940 wegen einer psychischen Erkrankung im Rahmen der NS-„Euthanasie“ ermordet wird.
Späte Ehre
Nach 1945 baut die Maybach-Motorenbau wieder Großmotoren, aber die Pkw-Produktion wird nicht wieder aufgenommen. 1960 übernimmt Daimler-Benz die Firma; 1969 geht sie in der MTU Friedrichshafen auf.
Zu seinem 150. Geburtstag wird Wilhelm Maybach in die "Automotive Hall of Fame" in Detroit aufgenommen – eine späte Ehre für den zwischenzeitlich fast vergessenen Konstrukteurs-König der Jahrhundertwende. Einige Jahre später belebt Mercedes-Benz die Marke Maybach (u.a. 994569) wieder und verkauft unter diesem Namen vorübergehend seine luxuriösesten Gefährte. Seit 2014 heißen die Nobelkarossen „Mercedes-Maybach“.
Text: Dr. Jan Björn Potthast; Bilder: Daimler AG, unbekannt / via Wikimedia Commons, DEPATISnet, Deutsches Museum München, DPMAregister
Stand: 09.04.2024
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