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Zwischen zwei Weltkriegen: Das Reichspatentamt von 1931 bis 1940
Kriegsfolgen und finanzielle Einsparungen führten im Reichspatentamt auch zum Abbau des Personals auf nur noch 752 Mitarbeiter. Ende 1930 lag die Zahl der unbearbeiteten Anmeldungen bei 128 000. Der wirtschaftliche Auf- und Abschwung schlug sich auch auf die Anmeldezahlen nieder. Patentanmeldungen erreichten im Jahr 1930 ihren Höhepunkt seit Bestehen des Amtes mit 78 400 einerseits und 79 175 Erledigungen andererseits. Nach drei Jahren fielen die Anmeldungen auf 55 992, im Jahre 1940 sogar auf 43 479 Patentanmeldungen bei nur noch 40 504 Erledigungen.
Mehr Personal war dringend notwendig. Bis 1932 wurden in schneller Folge rund 180 Akademiker eingestellt; erfahrene Mitarbeiter bestellte man zu Hilfsmitgliedern.
1933 spannte die neue nationalsozialistische Regierung die deutsche Wirtschaft völlig in ihr Aufrüstungsprogramm ein. Den Fabrikanten blieb wenig Zeit, sich um ihre Patentanmeldungen zu kümmern. Prüfungsbescheide fristgerecht zu beantworten, wurde zusehends schwieriger - zu groß war der Druck, das Kriegsmaterial pünktlich zu liefern. Die Zahl der schwebenden Anmeldungen stieg und obwohl weniger Neuanmeldungen eingingen, war ein Abbau der Bestände nicht möglich. Weitere 100 neu eingestellte Akademiker als Prüfungskräfte sowie Personal für den Bürodienst konnten nicht abhelfen. Der Personalkörper wuchs bis zum Jahr 1939 auf 1 900, mehr als jemals zuvor.
Zum Amt gehörten:
- 18 Patentabteilungen
- 3 Warenzeichenabteilungen
- die internationale Markenstelle
- die Gebrauchsmusterabteilung
- 2 Patentverwaltungsabteilungen
- 9 Dezernate für Verwaltungs- und Rechtsfragen
- die Bibliothek
- die Amtskasse
- 3 Kanzleien
- eine Lichtbildstelle
Die Bibliothek galt damals als die größte technische Bücherei im Deutschen Reich.
Das Amtsgebäude in der Gitschiner Straße war 1905 großzügig gebaut worden, reichte jedoch schon Ende der zwanziger Jahre nicht mehr aus. Ein weiteres Dienstgebäude mit 96 Räumen und einer zweiten Auslegehalle war 1930 gebaut und mit dem Hauptgebäude verbunden worden. Sieben Jahre später klagte die Bibliothek mit mehr als 30 Mitarbeitern über Raumnot. Ein weiterer Anbau schuf Platz für das Magazin der Bibliothek. 1939 reichten die 850 Diensträume nicht mehr aus; Auslagerungen wurden erforderlich. Wie 1893 traf es die Warenzeichenabteilungen: Da sie nicht auf die umfangreichen Prüfstoffsammlungen angewiesen waren, wurden sie in benachbarten angemieteten Gebäuden untergebracht.
Organisatorische Reformen
Die Personalverstärkungen alleine wirkten also nicht, andere Maßnahmen waren nötig. Die Patentanmeldeabteilungen wurden neu gegliedert und durchweg mit technisch vorgebildeten Vorsitzenden besetzt. Um die technischen Kräfte von Verwaltungsaufgaben zu entlasten, wurde eine eigene Patentverwaltungsabteilung eingerichtet. Vorteilhaft war auch, dass dadurch eine einheitliche Amtsausübung gewährleistet werden konnte. Der Beschwerdebereich wurde durch Mitglieder verstärkt und in einzelne Senate mit spezifisch technischen Fachgebieten untergliedert. Endlich verkürzten sich die Verfahren und die Erledigungen stiegen.
Das Patentgesetz vom 5. Mai 1936 führte ebenfalls zu organisatorischen Änderungen. Über Löschungsanträge von Gebrauchsmustern musste künftig das Patentamt und nicht mehr ein ordentliches Gericht entscheiden. Die Löschungsverfahren wurden dadurch einfacher, kostengünstiger und nach einheitlichen Grundsätzen abgewickelt. Die Gerichte konnten das nicht leisten, da sie kostspielige Sachverständigengutachten beiziehen mussten. Ein jedes Fachgebiet entschied mit einem juristischen und drei technischen Spezialisten; die Gebrauchsmusterabteilung konnte jährlich über 300 Löschungsanträge bearbeiten.
Gesetzliche Reformen
Gebrauchsmustergesetz vom 5. Mai 1936
Der vor dem 1. Weltkrieg angestrebte Reformentwurf scheiterte 1930 abermals. Nicht wegen Meinungsverschiedenheiten, sondern weil sich der Rechtsausschuss ausschließlich mit außenpolitischen und strafrechtlichen Fragen befasste. Endgültig begraben war die Hoffnung auf eine Gesetzesreform am 18. Juli 1930, als Reichspräsident Paul von Hindenburg den Reichstag auflöste. Das letzte Mittel war eine Notverordnung zur Vorwegnahme drängender Änderungen. Gefordert wurde zum Beispiel, die Patentdauer durch einen späteren Beginn zu verlängern oder den gesamten Entwurf in das Notwirtschaftsprogramm aufzunehmen. Es gab aber auch Stimmen, die sich dagegen aussprachen, wie der damalige Präsident Johannes Eylau (1928-1933) im Dezember 1931. Das Reichsjustizministerium sah keine Eile und brachte den Gesetzentwurf erst am 26. April 1932 in den Reichstag, kurz vor der zweiten Auflösung des Reichstags durch Paul von Hindenburg am 4. Juni 1932. Nun entschloss sich das Justizministerium, angesichts der Wirtschaftskrise zumindest die patentamtlichen Gebühren zu senken. Die 1933 an die Macht gekommene nationalsozialistische Regierung setzte die Gesetzesreform schließlich nach drei Jahren um. Die Möglichkeit, mittellosen Erfindern finanzielle Erleichterungen in patentamtlichen und gerichtlichen Verfahren zu gewähren, war nun darin verankert.
Das "Gesetz über den gewerblichen Rechtsschutz" vom 5. Mai 1936 schützte ausschließlich das "geistige Eigentum" des Erfinders. Die amtliche Begründung dieser gesetzlichen Regelung spricht "den im deutschen Volk schöpferischen Geisteskräften ein hohes Gut von unschätzbarem Wert zu. Deshalb gehöre es zu den vornehmsten Aufgaben, mit allen Mitteln die Entfaltung der schöpferischen Persönlichkeit zu fördern und ihr Werk gegen Ausbeutung zu schützen." Das Reichspatentamt stand dieser Entscheidung nach wie vor kritisch gegenüber, beugte sich jedoch dem politischen Willen.
Zum Schutz des "kleinen" unerfahrenen Erfinders wurde ein gesetzliches Novum eingeführt: die Neuheitsschonfrist. Welch hohe Bedeutung dieser beigemessen wurde, zeigt sich an der gewählten Verortung in § 1 Gebrauchsmustergesetz und § 2 Patentgesetz.
Vor 1936 galt der absolute Neuheitsbegriff, wonach eine Erfindung neu ist, wenn sie nicht dem Stand der Technik entspricht, oder anders ausgedrückt, im Vergleich zu sämtlichem, zum Zeitpunkt der Anmeldung öffentlich bekanntem Wissen neu ist. Die Neuheitsschonfrist hingegen definiert den relativen Neuheitsbegriff. Erfinder dürfen ihre Erfindung auch noch innerhalb eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten anmelden, nachdem sie sie bereits benutzt oder publik gemacht haben. Da die Erfindung dann am Anmeldetag bereits dem Stand der Technik entspricht, kann der Anmelder die Schonfrist einfordern.
Im Zuge der europäischen Harmonisierung wurde die Neuheitsschonfrist 1978 für Patente in Deutschland abgeschafft, nicht jedoch für Gebrauchsmuster. Für Patente gilt heute wieder der absolute Neuheitsbegriff.
Die Amtsleitung 1933/1934
Johannes Eylau
Johannes Eylau (Präsident von 1928-1933), 1880 geboren, studierte Rechtswissenschaften. Nach der Großen Staatsprüfung war er im Justizdienst, Amtsrichter und Richter am Landgericht I in Berlin. Im Ersten Weltkrieg verlor er an der Front das linke Auge und geriet 1916 für drei Jahre in französische Kriegsgefangenschaft. Nach umfangreichen juristischen Tätigkeiten ernannte man ihn 1928 zum Präsidenten des Reichspatentamts.
Als Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 auf dem Patentamt eine Hakenkreuzfahne hissten, soll er diese eigenhändig heruntergeholt haben. Daraufhin wurde er Mitte 1933 als Referent in das Reichsarbeitsministerium versetzt. (Heinz Pfennig, Enkel des Präsidenten Johannes Eylau, erinnert sich: Link zum Youtube-Video, 7. April 2021)
Nach § 5 Absatz 1 des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 musste sich jeder Beamte die Versetzung in ein anderes Amt von geringerem Rang und planmäßigem Diensteinkommen gefallen lassen, wenn es das "dienstliche Bedürfnis" erforderte.
Dr. Carl August Johannes Harting (1933-1934)
Quelle: ZEISS Archiv
Die Frage war nun, wer den frei gewordenen Dienstposten ausfüllen solle. Die Wahl fiel schließlich auf den Optiker und Physiker Dr. Carl August Johannes Harting, der als kommissarischer Präsident von 1933 bis 1934 tätig war.
Am 15. Februar 1868 geboren, übte er nach seinem Studium der Physik diverse Tätigkeiten aus und trat 1908 ins Reichspatentamt ein, 1918 wurde er zum Geheimen Regierungsrat ernannt. 1949 erhielt er den Nationalpreis der DDR I. Klasse für Wissenschaft und Technik, dank seiner großen Verdienste auf dem Gebiet der geometrischen Optik und beim Wiederaufbau des VEB Carl Zeiss in Jena. 1950 wurde er Ehrenmitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaft.
Georg Klauer, Präsident 1934-1945
1934 wurde Gustav Edgar Georg Emil Klauer (geboren 1876) als Präsident eingesetzt. Sein Antrag auf Aufnahme in die NSDAP wurde abgelehnt, da er laut dem Kreisgericht der Partei zwar "ein korrekter, charakterlich einwandfreier Beamter", sein "politisches Gesicht" aber "farblos" sei.
Georg Klauer wurde nach dem Jurastudium 1909 Amtsrichter, 1911 Regierungsrat und Mitglied im Reichspatentamt, diente im Ersten Weltkrieg beim Kaiserlichen Motorbootkorps und war seit 1921 im Reichsjustizministerium tätig. Dort verblieb er bis zu seiner Ernennung zum Präsidenten des Reichspatentamts im Jahre 1934, das er bis zur Auflösung des Reichspatentamts am 21. April 1945 leitete.
Bilder: DPMA (soweit nicht anders angegeben)
Stand: 18.06.2024
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