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Birós 125. Geburtstag

DE912309B

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László Bíró brachte die Kugel ins Rollen

Er erfand eines der meistproduzierten Geräte der Geschichte, profitierte aber kaum davon: László Bíró ist der Vater des modernen Kugelschreibers, der bis heute in vielen Ländern seinen Namen trägt.

Der kreative Tausendsassa wurde am 29. September 1899 als László József Schweiger in Budapest geboren. Sein Vater Mózes Mátyás war ein jüdischer Zahnarzt, der 1905 den Familiennamen in Bíró „ungarisierte“, um damit die Assimilierung der Familie voranzutreiben.

László Bíró, um 1978

László Bíró, um 1978

Bíró war ein Mann mit vielen Talenten. Er studierte Medizin, bis er das Thema Hypnose für sich entdeckte. Er brach das Studium ab und arbeitet mit einigem Erfolg als Hypnotiseur. Außerdem war er – nach eigenen Angaben – auch zeitweise Rennfahrer, Graphologe, Biologe, Versicherungsagent, Lastwagenfahrer, Maler, Buchautor und Bildhauer. Und natürlich Erfinder – er soll beispielsweise an der Entwicklung eines Automatikgetriebes für Autos beteiligt gewesen sein. Ob das alles so stimmt, lässt sich heute kaum mehr nachvollziehen. Sicher ist, dass er als Redakteur einer Kulturzeitschrift arbeitete, als ihm die Idee zu seiner wichtigsten Erfindung kam.

Spielende Kinder inspirierten ihn

US392046A: John Louds Kugelschreiber zum Beschriften von Tierhäuten

US392046A: John Louds Kugelschreiber zum Beschriften von Tierhäuten

Bíró habe Kinder beim Spielen mit Murmeln beobachtet, heißt es, und dabei sei ihm aufgefallen, wie eine Kugel durch eine Pfütze rollte und dann eine Spur im Trockenen hinterließ. Konnte das die Revolution des Schreibens werden: Tinte, die über einen Ball läuft? Füllfederhalter neigten damals zum Klecksen und Schmieren, Bleistifte waren zerbrechlich und schrieben nur in Grau – es gab also Handlungsbedarf…

Ganz neu war diese Idee freilich nicht. Schon Galileo Galilei soll eine Art Kugelschreiber skizziert haben. 1888 meldete John J. Loud in den USA ein Kugelschreiber-Patent an ( pdf-Datei US392046A). Loud war ausgebildeter Anwalt, arbeitete aber hauptsächlich als Gerber. Sein Stift eignete sich auch hervorragend, um Leder zu markieren, war aber zu grob für Papier. Daher kam er nie als Schreibgerät auf den Markt. Ein paar Jahre zuvor soll Alonzo Townsend Cross einen Kugelschreiber entwickelt haben, etwas später auch der Kroate Slavoljub Eduard Penkala. Keiner der Stifte erreichte die Marktreife.

Zäher Weg zur richtigen Tinte

GB498997A, "Improved fountain pen", 1939

GB498997A, "Improved fountain pen", 1939

Bíró sollte die Arbeit an seinem neuen Schreibgerät viele Jahre lang beschäftigen. Die Tinte entpuppte sich als größtes Problem bei der Entwicklung des Kugelschreibers: Sie durfte nicht zu flüssig sein, aber auch nicht zu zäh, weil sie sonst entweder auf dem Papier zu langsam trocknete oder eben zu schnell – nämlich bereits in der Mine im Stift.

Zusammen mit seinem Bruder György, einem Chemiker, und einem kleinen Team entwickelte Bíró eine Tinte, die genau die richtige Konsistenz hatte. 1931 stellte er seinen ersten „Go-Pen“ auf einer Messe in Budapest vor, aber erst 1938 meldete er Patente in mehreren Ländern an (u.a. pdf-Datei GB498997A, pdf-Datei CH204880A).

In Ungarn regierte seinerzeit das Horthy-Regime, das mit dem nationalsozialistischen Deutschland verbündet war und ebenfalls eine antisemitische Politik betrieb. Am 31.12.1938, am letzten Tag bevor ein Gesetz in Kraft trat, das es untersagte, Patente ins Ausland mitzunehmen, verließ Bíró mit seiner Familie Ungarn und ging nach Frankreich.

Flucht nach Argentinien

US2491082A

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Doch auch dort konnte er nicht lange bleiben, denn 1940 besetzten deutsche Truppen das Land. Durch einen glücklichen Zufall hatte Bíró ein paar Jahre zuvor den argentinischen Präsidenten Agustín Pedro Justo kennengelernt. In dessen Land floh er nun.

In Argentinien konnten die Brüder Bíró weiter an ihrem Kugelschreibers feilen. Zusammen mit ihrem Freund Juan Jorge Meyne gründeten sie eine Firma und nannten ihren Stift „Birome“ (eine Zusammensetzung der Namen). 1944 meldete László Bíró erneut Patente an, auch in den USA ( pdf-Datei US2491082A). Das war ein Meilenstein in der Geschichte des Kugelschreibers, aber es sollte noch eine Weile dauern, bis er zum Massenprodukt wurde.

In den USA erwarb eine Firma namens „Eversharp“ die Lizenz zur Herstellung von Kugelschreibern nach Bírós Patent. Aber es gab offenbar immer noch Qualitätsprobleme, daher wurde der Kugelschreiber zunächst kein Hit.

Die Royal Air Force verhilft dem Kugelschreiber zum Ruhm

DE-Marke 625157

DE-Marke 625157

Ein wichtige Weichenstellung war, so will es die Legende, der Kriegseinsatz des Stiftes. Der britische Geschäftsmann Henry George Martin verkaufte Bírós Kugelschreiber im großen Stil an die Royal Air Force. Damals arbeiteten die Flugzeugnavigatoren noch mit Karte und Stiften, aber Füller versagten und klecksten in großer Höhe regelmäßig. Der Kugelschreiber dagegen funktionierte auch in der Luft hervorragend. 30.000 Exemplare soll die Air Force 1943 deshalb geordert haben.

Ein Chicagoer Geschäftsmann namens Milton Reynolds, der Bírós Stift in Argentinien kennengelernt hatte, brachte unter dreister Umgehung von Eversharps Lizenzrechten einen eigenen Kugelschreiber namens „Reynold´s Rocket“ auf den Markt. Er verkaufte ihn in New York zum damals saftigen Preis von rund 10 Dollar – dem Tageslohn eines Arbeiters. Zunächst gingen tausende Stifte über den Ladentisch, aber weil sie schlecht funktionierten, brach der Absatz bald ein und der Preis fiel ins Bodenlose. Auch die ersten Kulis, die 1950 in Deutschland auf den Markt kamen, waren teuer: sie kosteten rund 20 Mark.

Baron Bich macht ein Bomben-Geschäft

US204527S

Bich tüftelte am Kugelschreiber-Design (US204527S)

Der eigentliche Durchbruch kam erst mit dem französischen Baron Marcel Bich. Im Gegensatz zu manch anderem Kugelschreiberproduzenten besorgte er sich ordnungsgemäß eine Lizenz (bei dem in der Schweiz ansässigen Rechtevermarkter Biro Patents) und unternahm wesentliche Verbesserungen an Bírós Stift (siehe z.B. pdf-Datei US204527S). Bich gründete das Unternehmen BIC und brachte 1950 den „Cristal“ auf den Markt. Der Stift besaß eine hochwertige Stahlkugel als Schreibball, war aber dafür ansonsten aus günstigem Material hergestellt. Sein zeitloses Design (transparentes Plastik, so dass der Füllstand der Mine ablesbar ist; farbige Schutzkappe) machte den „Cristal“ zu einem Klassiker der Moderne, der bis heute unverändert produziert wird. Mit über 100 Milliarden Stück ist er eines der meistverkauften Produkte der Geschichte und hat es bis in die Sammlung New Yorker Museum of Modern Art gebracht.

Mit dem günstigen, zuverlässigen „Cristal“ begann der Siegeszug des Kugelschreibers. Bereits Mitte der 1950er-Jahre war etwa eine Milliarde Kulis auf der ganzen Welt im Umlauf. Der Kugelschreiber war ein Bombengeschäft!

Bíró blieb brotloser Erfinder

Seit 1950 der meistverkaufte Kugelschreiber: BIC Cristal

Seit 1950 der meistverkaufte Kugelschreiber: BIC Cristal

Laszlo Bíró profitierte davon aber kaum. Er hatte die ursprünglichen Patentrechte verkauft (unklar ist, wer genau sie ihm abkaufte. Mal wird Eversharp als Käufer genannt, dann wieder Martin; auch BIC, aber die erwarben wohl nur eine Lizenz). Viele Kugelschreiber wurden ohnehin von Unternehmen auf den Markt geworfen, die sich um die Rechte wenig scherten. Reich wurde aber Marcel Bich, dessen Unternehmen später auch mit seinen Feuerzeugen und Einweg-Rasierern großen Erfolg hatte.

László Bíró, der weiterhin Patente anmeldete (u.a. pdf-Datei DE912309B), soll später gesagt haben: „Ich denke oft, dass ich mit etwas mehr Geschäftssinn mit meiner Erfindung ein Riesenvermögen hätte machen können, aber ich hege keinen Groll. Der Kugelschreiber ist das populärste Schreibgerät der Welt geworden, er hat Bleistift und Füllfederhalter überholt, und dieser Gedanke lässt mich die verpassten Reichtümer vergessen.“

Wer schreibt, der bleibt…

Bíró blieb als leitender Mitarbeiter beim Stiftefabrikanten Sylvapen weiterhin kreativ. Das Prinzip des Kugelschreibers übertrug er auf Parfum und wurde zum Erfinder des Deo-Rollers. Allerdings gelang damals keine Serienproduktion, so dass sich die Idee erst später durchsetzte – und Bíró wieder nicht davon profitierte.

Das Thema Parfum ließ ihn nicht los; er entwickelte mehrere edle Düfte. Außerdem arbeitete er an einem Blutdruck- und Fiebermeßgerät für das Handgelenk – auch dies eine Idee, deren Siegeszug erst viel später beginnen sollte (in Form aktueller Smartwatches). Außerdem erfand Biró, der am 24. Oktober 1985 starb, einen neuen Kunststoff, den er „Birolit“ nannte, und noch manches mehr.

Wenngleich der Kugelschreiber Bíró auch nicht reich machte - der Ruhm blieb ihm. In den meisten englischsprachigen Ländern, in Italien und weiteren Nationen heißt der Kugelschreiber bis heute (auch) „biro“. In Argentinien sagt man „birome“, in Frankreich „biron“. In Ungarn nennt man ihn, wie es sein Erfinder wollte, „Go-Pen“. In Argentinien wird Bírós Geburtstag, der 29. September, als „Tag der Erfinder“ gefeiert.

Text: Dr. Jan Björn Potthast; Bilder: DEPATISnet, Public domain via Wikimedia Commons, DPMAregister, Trounce CC by3 .0 via Wikimedia Commons

Stand: 08.10.2024