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Würfelzucker

Würfelzucker

Eine Erfindung, die den Alltag versüßte

Eine ganz süße Geschichte: Weil seine Frau sich beim Zucker-Brechen verletzt haben soll, erfand Jacob Christoph Rad 1841 den Würfelzucker. Bis dahin konnte man Zucker nur in Form von Kegeln oder Kolben kaufen. Diese Zuckerhüte waren bis zu 1,50 Meter hoch und steinhart. Wer damit seinen Kaffee süßen wollte, benötigte Werkzeug: Hammer, Zange, Zuckerbrecher. Eine lästige und nicht ganz ungefährliche Plackerei!

Historisches Foto von Jacob Christoph Rad und seine Frau Juliane

Jacob Christoph Rad und seine Frau Juliane

Als sich Juliane Rad (vermutlich zum wiederholten Mal) beim Zuckerbrechen an der Hand verletzte, forderte sie – so wird erzählt – ihren Mann auf, endlich etwas zu unternehmen, um Zucker in eine nutzerfreundliche Form zu bringen. Jacob Christoph Rad war genau der richtige Ansprechpartner, denn er leitete eine Zuckerfabrik im mährischen Datschitz (heute Dačice, Tschechische Republik). Die Region war damals eine Hochburg der Zuckerproduktion in Europa.

Der gelernte Drogist (25.3.1799-13.10.1871) war ein begeisterter Tüftler - später sollte er (allerdings erfolglos) noch ein optisches Telegraphensystem entwickeln. Rad experimentierte in seiner Zuckerfabrik mit einem Model, das heutigen Eiswürfel-Formen ähnelte und in das er angefeuchtete Zuckermasse füllte, diese presste und trocknen ließ. So fand Rad einen Weg zur Herstellung von Zucker in Würfelform.

Die ersten Zuckerwürfel, die er seiner Frau präsentierte, sollen zweifarbig gewesen sein - rosa und weiß. Vor 180 Jahren, am 23. Januar 1843, erhielt Rad für sein Verfahren ein kaiserliches "Privileg" für fünf Jahre. Als „Thee-Zucker“ oder „Wiener Würfelzucker“ kam das Produkt auf den Markt. Mit etwas Anlaufzeit wurde es ein großer Erfolg – bis heute.

Zucker als erfinderische Herausforderung

Zuckerfabrik in Datschitz

Die Zuckerfabrik in Datschitz (Dačice), die Jakob Christoph Rad 1840-46 leitete

Das Verfahren zur Herstellung von Würfelzucker wurde seither immer wieder verbessert. Im Wesentlichen kommt bis heute eine Rotationsmaschine in Einsatz, wie sie Louis Chambon in den 1940er Jahren in Frankreich entwickelte und 1950 auch in Deutschland zum Patent anmeldete ( pdf-Datei DE814730B). Bis heute werden immer wieder verbesserte Verfahren zum Patent angemeldet, etwa 2011 von Peter Joseph Hendricks ( pdf-Datei EP2497838B1). Portionierte Zucker- bzw. Süßungsmitteleinheiten sind ebenfalls ein Gebiet, auf dem stets neue Schutzrechte angemeldet werden, z.B. "Süßungskörper für Getränke" ( pdf-Datei DE202015001303U1).

Die Kegelform für Zucker hat sich hauptsächlich für eine einzige Anwendung erhalten: als Bestandteil einer Feuerzangenbowle. Der Kegel wird mit Alkohol getränkt, angezündet und schmilzt dann ebenso dekorativ wie geschmackvoll in die Bowle. Eine neuere Erfindung ermöglicht die 1-Portion-Feuerzangenbowle: ein kleiner Zuckerkegel auf einem Spießchen kann über einen einzelnen Becher gelegt und abgefackelt werden („Zucker-Stab-Einheit“,( pdf-Datei DE202019103195U1).

Zucker hat längst einen schlechten Ruf als Zahnschmelzkiller und Dickmacher. Daher wurden etliche synthetische Süßstoffe entwickelt, die aber wiederum auch nicht als besonders gesund gelten. Bis heute wird daher daran getüftelt, den Zucker durch eine möglichst gesunde Süße zu ersetzen. Ein neueres Beispiel ist „Lebensmittelprodukt auf Kakaobasis ohne zugesetzte Zucker oder Süßungsmittel“: Pflanzliche Fasern, Texturregulatoren und Aromastoffe sollen den Zucker in Kakaoprodukten ersetzen, diese aber „dennoch für den Gaumen des Konsumenten von Zubereitungen dieser Art den typischen, angenehmen Geschmack aufweisen“ ( pdf-Datei DE202019105314U1).

Als Orientierungsgröße unentbehrlich

DE814730

DE814730: Chambons Rotationsmachine

In den letzten Jahren ist der Würfelzucker – den es längst auch in anderen Formen wie Herzen oder Kleeblättern gibt – im Vergleich zum Streuzuckertütchen etwas aus der Mode gekommen. Aber er bleibt eine feste Größe in unserer Alltagsernährung – etwa, wenn man sich den Zuckergehalt von bestimmten Nahrungsmitteln veranschaulichen will: Eine Flasche Ketchup enthält im Schnitt 46 Würfel Zucker, eine Packung Vollkorn-Müsli 45, ein Liter Cola 31. In einer Dose Ananas verstecken sich etwa 30 Würfel, in einer Fruchtbuttermilch rund 21.

Aber wieviel loser Zucker entspricht eigentlich einem Würfel? Ein Teelöffel voll? Teelöffel sind oft unterschiedlich geformt und verschieden groß – wie soll da eine verlässliche Mengenangabe möglich sein? Diese Lücke schließt pdf-Datei DE202020000100U1: der „Löffel mit eckigem Aufnahmebehältnis zur Portionierung von Zucker o.ä.“ nimmt eine Menge auf, die exakt einem Zuckerwürfel entspricht.

Ein Zuckerwürfel hat übrigens etwa 12 kcal/50 kJ, wiegt 3 Gramm und ist mit den Kantenlängen 16/16/11 Millimeter eigentlich kein Würfel, sondern ein Quader.

Text: Dr. Jan Björn Potthast, Bilder: iStock.com/paolofur, via Wikimedia Commons, via austria-forum.org, DEPATISnet

Stand: 24.09.2024